Beim ersten Anlauf 2018 erspielten sich „The Deaf Kings” eine Wildcard für 2019. Nun schafften sie den Sprung ins Bundesfinale – mit Bravour. (Foto: Julia Schwendner / Aktion Musik • local heroes e.V.)
Am 9. November brachten insgesamt 15 Newcomer-Acts aus ganz Deutschland beim „local heroes“-Bundesfinale die Bühne im Kulturhaus von Salzwedel zum Beben. Mit dabei waren auch die Landesfinalisten aus Berlin „The Deaf Kings“. Die drei jungen Leute aus der Hauptstadt, die mit Startnummer sieben ins Rennen gingen, begeisterten insbesondere die Jury, die sie mit Platz drei ihrer Wertung belohnte. Darüber hinaus wurde Frontmann und Gitarrist Florian-Michel Huwe als bester Instrumentalist des diesjährigen Bundesfinales ausgezeichnet.
Fragt man junge Bands nach ihrer Gründungsgeschichte, können dabei schon kuriose Anekdoten zutage gefördert werden. Die einen treffen sich auf einem Festival, die anderen finden via Facebook zusammen und die nächsten führt der Zufall zueinander. Im Fall von „The Deaf Kings“ hört sich das Ganze jedoch so an: „Aufgrund eines fatalen personalen Notstands, welchen man gelinde gesagt als drastische Unterbesetzung bezeichnen möge, beschlossen die zwei Gebrüder Andreas und Florian Huwe ihre noch diffus in den Köpfen schwebende Idee einer zeitnah zu gründenden Musikformation mit Hilfe eines das Klangspektrum vervollständigenden Instruments, welches von Julian Hille, einem begnadeten Spandauer Bassisten, der zufälligerweise bereits Jahre zuvor mit Andreas in einem Rock-Ensemble tätig gewesen war, geführt werden würde, anlässlich des anstehenden ‘local heroes‘ Wettbewerbs, zu dessen Vorbereitung ihnen zu diesem Zeitpunkt gerade einmal zwei Wochen übriggeblieben waren, während des Jahres 2018 im Land Berlin in die Tat umzusetzen.“…
„The Deaf Kings” im Preisregen: Die Jury wählte sie auf den dritten Platz und den besten Instrumentalisten stellten sie ebenfalls. (Foto: Christoph Eisenmenger / Aktion Musik • local heroes e.V.)
Musik gewährt Zugang zu sich selbst
Na? Noch mitgekommen? Wahrscheinlich nicht. Doch das ist im Falle von Florian, Julian und Andreas auch gar nicht so entscheidend. Sie sind einfach froh, sich gefunden zu haben. „Der schönste Aspekt am Musikmachen ist für uns nicht direkt ein zentrales Ereignis. Stattdessen bieten uns die Musik und die Kunst im Allgemeinen einen Zugang zu etwas, das gerade heutzutage nur schwer zu finden ist: uns selbst.“ Sich in einem Kunst- oder Musikwerk zu verwirklichen und kreativ auszugleichen – das sei unvergleichbar, unnachahmlich geradezu und gebe ihnen immer wieder die Chance, sich Anderen mitzuteilen und sie daran teilhaben zu lassen.
Was das konkret bedeutet, setzten sie am 9. November auf der Bühne des Kulturhauses in Salzwedel um. Ganze Fanscharen salutierten sie mit „Deaf Kings“-Sprechchören auf die Bühne. Was die drei Jungs dort boten, konnte nur als Gesamtkunstwerk bezeichnet werden: Zu Beginn ihrer Bühnenshow hievten sie einen scheinbar besinnungslosen Mann auf einen Thorn, der durch melodramatische Monologe zwischen den energetischen und melodiösen Songs von der Suche nach sich selbst und nach der Musik sprach. Der Kontrast zwischen den lauten und treibenden Klängen der Lieder und der geschauspielerten Isolation des Protagonisten hielt die Zuschauer*innen über die gesamte 20-minütige Spieldauer der Band völlig bei Atem. Dabei stach besonders Frontmann Florian-Michel Huwe mit seinem Können an der Gitarre heraus: „Angefangen, Gitarre zu spielen, habe ich mit etwa zehn Jahren. Ich habe vor ‚The Deaf Kings‘ auch schon in einer anderen Band gespielt. Ich bin einfach viel am Üben, und diese Arbeit macht sich jetzt langsam mal bezahlt“, freut sich der Musiker über die Auszeichnung als „Bester Instrumentalist“, die ihm ein neues Sennheiser MK4-Mikrofon einbrachte. „Ich stecke viel Mühe in meine Solos, die ich spielen möchte.“ Zu einer guten Instrumentalperformance gehört für den Gitarristen aber auch Bewegung auf der Bühne. Neben seiner persönlichen Auszeichnung wurde die gesamte Band für ihre Performance mit Platz drei in der Jurywertung belohnt. Hierfür erhalten sie einen Singlerelease über den digitalen Musikvertrieb recordJet.
„Spaß haben. Eine gute Zeit haben. Etwas machen, das man selbst feiert. Frei sein“, darauf kommt es „The Deaf Kings“ an. Für ihre Bühnenshow brachten sie einen zusätzlichen Schauspieler mit auf die Bühne. (Foto: Dani Red / Aktion Musik • local heroes e.V.)
Sie selbst beschreiben ihre Darbietung übrigens so: Es sei „eine gute Mischung aus eingängigem Alternative und ambitioniertem Progressive, die sowohl den geschulten Musiker als auch den aufmerksamen Laien abholt und mit saftigem, fetten Stoner-Rocksound überzeugt.“ Dazu gebe es anspruchsvolle Texte, deren Inhalte passgenau auf die Songstrukturen abgestimmt seien. „Einzigartig“, so ihre Überzeugung, „ist hierbei sicherlich die künstlerische Art, die vielmehr Freiheit denn Zwang bietet und auch interdisziplinäre Methoden wie die Unterstützung eines Auftritts durch Schauspiel oder sich entwickelnde Handlungen über mehrere Songs zulässt.“ In ihren Texten beschäftigen sich „The Deaf Kings“ mit „existenziellen Fragen und der Reflektion des Seins“. Prägend seien erzählerische Ebenen, die sinnbildlich an durch die Musik ausgedrückte Emotionen geknüpft seien. „Erforderlichenfalls sind unsere Themen bar jeder Rechtfertigung“, so die Berliner Landesfinalisten.
Interview bei Howie Yagaloo. (Foto: Julia Schwendner / Aktion Musik • local heroes e.V.)
„local heroes“ macht jede Menge Spaß
Auf das Thema „local heroes“ mussten sie übrigens erst gestoßen werden. „Wir wurden gefragt, ob wir Lust hätten, an der Qualifikationsrunde teilzunehmen“, erinnern sie sich zurück. Bereut haben sie ihre Teilnahme offenbar nicht. „Der Wettbewerb lebt extrem vom Miteinander mit den anderen Bands, den Leuten von der Organisation und allen Technikern, Helfern und Supportern.“ Sehr gefallen habe ihnen, dass sie die Chance gehabt hätten auch auf großen Bühnen wie dem Columbia-Theater und der Wabe zu performen. „Trotz des Durcheinanders, was hin und wieder herrschte, hatten wir bisher eine Menge Spaß, vielleicht auch gerade deswegen.“
„Wir geben unser Bestes und gehen ambitioniert an die Sache ran“, verrieten sie noch kurz vor ihrem großen Auftritt. Dabei stünden aber natürlich der Spaß und die gewonnene Erfahrung im Vordergrund. „Wir hoffen, dass wir auch neue Bekanntschaften knüpfen und uns als Band weiterentwickeln können.“ Nach welchen Gesichtspunkten Jury und Publikum ihre Darbietung wohl bewerten würden, darüber machte sich das Trio im Vorfeld ebenfalls Gedanken. Für sie stehe die Musikalität im Vordergrund. Wären sie in der Position der Jury-Mitglieder, würden sie ihr Augenmerk auch auf Texte legen und das Einbringen anderer künstlerischer Aspekte vermehrt wertschätzen. „Trotzdem finden wir es wichtig, dass eine Band catcht, auf der Bühne präsent ist und untereinander harmoniert.“
Unplugged auf der Foyer-Bühne. (Foto: Julia Schwendner / Aktion Musik • local heroes e.V.)
„Es ist nicht nur entscheidend, was auf der Bühne passiert, sondern auch alles drumherum“
Dass „The Deaf Kings“ harmonieren, haben sie in Salzwedel bestens unter Beweis gestellt. Für die Zeit nach dem Bundesfinale haben die jungen Leute Songwriting, Auftreten und Albenaufnahmen auf der Agenda. Mittelfristig würden sie gern auf Festivals und als Vorband präsent sein. Sie selbst werden ihren Teil dazu so gut es geht beitragen. „Eine Band muss untereinander harmonieren und alle müssen Bock haben, sich zu engagieren und die Musik feiern. Es ist nicht nur entscheidend, was auf der Bühne passiert, sondern auch alles drumherum“, so ihr Rezept, um als Newcomer auch längerfristig im derzeitigen Musikzirkus bestehen zu können.
In Zeiten von Social Media und Streamingdiensten sei es allerdings schwer für kleine Bands, sich auf dem Markt durchzusetzen. Leider fehle oft vielen talentierten Musikern die finanzielle Grundlage, um hauptberuflich in dieser Branche zu arbeiten. Gerade auch, da sich Alben nicht mehr als Haupteinnahmequelle eignen würden und man daher auf Gagen und Merchverkauf angewiesen sei. „Wir würden uns wünschen, dass nicht-kommerzielle Wettbewerbe wie ‘local heroes‘ vermehrt gefördert werden.“
Text: Nicole Oppelt/Lina Burghausen
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