Am vergangenen Wochenende feierte das beliebte Festival in Rottershausen einen fulminanten Neustart
Schön, schöner, „Lutzi“-Festival: Es gibt in der Region wohl kaum einen besseren Ort, um die Seele baumeln zu lassen. (Foto: Lukas Veth)
Zwei Jahre Zwangspause. Der Euphorie für das „ab geht die Lutzi“-Festival hat das keinen Abbruch getan. Vom 23. bis 25. Juni wurde auf dem Sportgelände in Rottershausen gefeiert, als gäbe es kein Morgen mehr. Mehr als 12.000 Menschen strömten im Laufe des Wochenendes auf den Platz, um gemeinsam mit Größen wie Moop Mama, Anti-Flag, Blackout Problems und vielen mehr ein ausgelassenes Festival der Musik, der Toleranz und für ein friedliches Miteinander zu feiern.
Gern gesehene Gäste: Itchy machten den Donnerstagabend erstmals zu einem vollwertigen Festivaltag. (Foto: Dani Red)
Schon in ihrem diesjährigen Trailer hatte das „Lutzi“-Team angedeutet, wie die elfte Ausgabe des regionalen „Lieblingsfestivals“ wohl sein werde. Mit den Zeilen der Band Engst „Komm, wir eskalieren… Diese Nacht soll niemals enden. 3,2,1 und alle tanzen“ wurden darin schillernde Impressionen untermalt, die für so manchen in einer „anderen Zeit“ zu liegen schienen. Diese Vorahnung und natürlich in erster Linie auch der Wunsch des Organisatoren-Teams rund um „Lutzi“-Chef Christian Stahl bewahrheitete sich aufs Allerbeste.
Endlich wieder „Lutzi“! Für viele der anwesenden Gäste zählte das Gesamterlebnis. (Foto: Lukas Veth)
„Goldene Zeiten“ auf der „Lutzi“
Bereits der Donnerstag – zuletzt eher als eine Art „Warm Up“ gedacht – wurde in diesem Jahr zum vollwertigen Festivaltag und ließ das Publikum schon am späten Nachmittag in Scharen Richtung Hauptbühne strömen. Zurecht: Denn mit der Hamburger Band Liedfett und den „Lutzi-Wiederholungstätern“ Itchy ließ sich der in der Pandemie-Zeit aufgestaute „Festivalhunger“ ganz wunderbar stillen. Und so „ritt“ die Menge an Festivaltag eins gehörig mit Liedfett „auf dem Vibe“, bewies, dass es in Sachen „Moshpits und Co.“ nichts verlernt hatte und setzte so manch schillerndes Zeichen gegen Rassismus, Sexismus und jegliche Form von Intoleranz. „Goldene Zeiten“ war auf dem Banner der Hanseaten zu lesen. Und ja, diese waren auf der „Lutzi“ definitiv angebrochen. Das sahen auch Itchy so, die sich vorgenommen hatten, mit dem Publikum „so richtig durchzudrehen“. Gesagt, getan: Und das nicht nur bei „Dancing in the sun“, sondern auch gemeinsam mit der „Lutzi“ persönlich.
Hier kommt zusammen, was zusammengehört: Itchy meets Lutzi. (Foto: Dani Red)
Volle zwei weitere Tage feierte die Menge in diesem Stil, unter anderem mit Radio Havanna, Swiss & Die Andern, Afrob, Anti-Flag und den Blackout Problems, weiter. Da wundert es nicht, dass Jung und Alt, Groß und Klein am Samstagabend gemeinsam mit Moop Mama umso lauter „Das ist unser Platz. Wir gehen hier nicht weg!“ anzustimmen wusste.
Abriss am späten Samstagabend: Afrob verwandelte die Zeltbühne in einen Hexenkessel. (Foto: Dani Red)
Doch die „Lutzi“ wäre nicht die „Lutzi“, gäbe es – abgesehen von viel guter Musik – nicht allerhand Angebote, um Leib und Seele der Festivalbesucher zu erwärmen. Der bereits in der Vergangenheit beliebte Sauna-Wagen am Rand des Campinggeländes sowie die legendäre Schnitzeljagd samt Frühschoppen durften da ebenso wenig fehlen wie das umfassende kulinarische Angebot, das in diesem Jahr durch ein Bier-Tasting von Kauzen Bräu, zahlreiche Weinproben von „Wine for Punx“ sowie einem kleinen Penny-Markt am Rande des Zeltplatzes ergänzt wurde.
Wine For Punx feierte in diesem Jahr seine „Lutzi“-Premiere. Und da sage noch mal einer, Wein und Festival passen nicht zusammen. (Foto: Lukas Veth)
„Straight into the Hopfenflow“
Apropos „Bier“: 2022 wurden die „Festival-Lebensgeister“ auch mit Sport zum Leben erweckt. Und so fanden sich am Freitagmorgen mehr als 100 Besucher:innen auf dem Campingplatz ein, um mit der ausgebildeten Yoga-Lehrerin Denise Bauer die „Bier-Yoga“-Premiere des Festivals zu absolvieren. Frei nach dem Motto „Straight into the Hopfenflow“ wurden hierbei einfache Übungen gezeigt, die auch für absolute Beginner gut zu schaffen waren. Flankiert wurden diese – ganz im Stile des Hatha Flow, der Unterbrechungen erlaubt – natürlich immer wieder mit einem kräftigen Schluck Bier. Diese „Spaß-Kombination“ kam mächtig gut an, wie die 24-jährige Yoga-Expertin berichtete. Zugaberufe seien ebenso laut geworden wie zahlreiche Wünsche, das Ganze auch in Zukunft auf der „Lutzi“ anzubieten. Wer weiß, vielleicht können sich Yoga-Fans also auch bei den künftigen Veranstaltungen auf wunderbare Sonnen- bzw. Biergrüße freuen.
Voller Fokus! Die local heroes Bayern-Landesfinalisten Bloomer gönnten sich vor ihrem Auftritt noch eine Runde Bier-Yoga. (Foto: Dani Red)
Bühne frei für Newcomer und Freestyler
Herbei gesehnte „Zugaben“ gab es jedoch schon auf dieser „Lutzi“. Am Freitagabend gehörte die Zeltbühne ganz dem local heroes Bayern-Team. Die Regional-Ausgabe von Deutschlands ältestem und renommiertestem Non-Profit-Nachwuchswettbewerb durfte bereits zum zweiten Mal mit Unterstützung des Festivals stattfinden. Mit spannenden Rock-Spielarten zogen die fünf teilnehmenden Bands das Publikum in ihren Bann. Volles Haus für die jungen Musiker, die bewiesen, wie viel Potenzial in der bayerischen Musiklandschaft schlummert.
Zeremony haben es geschafft: Die local heroes Bayern-Gewinner 2022 verzauberten das Publikum von Minute eins an. (Foto: Dani Red)
Bereits zum dritten Mal stand ab dem späten Samstagnachmittag der Freestyle Battle auf dem Programm. Dass hier die Luft bereits ab Minute eins brannte, verstand sich von selbst. Immerhin warfen sich die Titelverteidiger Crash Bundy, Gusy und deren Kontrahenten teils derbe und sicherlich oft unerwartete Punchlines um die Ohren – ganz zur Freude des Publikums.
Der Freestyle-Battle hat auf der „Lutzi“ schon Tradition. Und Gusy, Titelträger des Jahres 2018, stellte erneut unter Beweis, was einen guten Freestyler ausmacht. (Foto: Dani Red)
„Die Verbindung zueinander zählt!“
Überhaupt war dieses während des gesamten Wochenendes kaum aus dem wiedergewonnenen Festivalflow zu holen. Bereits am Donnerstagnachmittag erhob sich eine stattliche Zelt-Stadt am Rande von Rottershausen. Und diese wuchs und wuchs. „Insane“, mit diesem prägnanten Ausruf fasste etwa der 21-jährige Tom das gerade begonnene Spektakel zusammen. Besser ist das wohl kaum zu formulieren. „Wir waren schon hier, bevor die Lutzi groß wurde. Und wir halten dem Festival auch weiterhin die Treue!“, verleiht er seiner Begeisterung Ausdruck. Ebenso sieht das auch Festivalgast Markus. Der 25-Jährige fand es „überragend, dass die Lutzi endlich wieder stattfindet“ und freute sich vor allem darauf, „die ganzen Menschen wiederzusehen, sie zu fühlen, da zu sein“ und gemeinsam eine tolle Zeit zu haben. „Die Verbindung zueinander zählt!“ Für den ein oder anderen war das übrigens die Erste seit 2019. Denn nicht wenige Besucher:innen feierten mit der „Lutzi“ ihren persönlichen Startschuss in die Festivalsaison 2022. „Die Leute und die Bands haben Bock“, so der Eindruck der 19-jährigen Sandra. „Besser geht`s nicht!“
Schon der „Lutzi“-Campingplatz ist eine Reise nach Rottershausen wert. (Foto: Dani Red)
Konzerte spielen ist ihre Leidenschaft
Wie recht sie doch hat. Denn den mitwirkenden Bands erging es ganz genauso. Wie zum Beispiel der HipHop-Combo Bambägga. Jonas Ochs und seine Crew waren 2022 bereits zum fünften Mal auf der „Lutzi“ zu Gast – nach ihrer letzten Visite im Jahr 2017 nun auf der Hauptbühne. Mitgebracht hatten sie den Fans daher nicht nur jede Menge „god old stuff“, sondern vor allem auch ihr neues, 17 Tracks umfassendes Album „Brotzeit“, welches sie erst am 8. Juli in ihrer Heimat Bamberg live präsentieren werden. „Das ist einfach krass und überragend. Es ist jedes Mal wieder eine Verjüngungskur, wenn man hier den Ortseingang passiert“, brachte der Rapper seine Freude über das Wiedersehen auf den Punkt. Er und seine Kollegen zeigten sich nachhaltig begeistert von der Atmosphäre und der Organisation des Festivals. „Wir saugen einfach alles auf, was es hier gibt“, ergänzt sein Kollege, der Rapper Georg33. Und das, obwohl die Band in den vergangenen zwei Jahren äußerst kreativ war und sich so manche Konzertgelegenheit – ob im Seniorenheim oder im Biergarten – selbst „erschloss“. „Es ist einfach unsere Leidenschaft“, schwärmt Jonas Ochs. „Wir haben versucht, jedes zarte Pflänzchen zu gießen.“
Die Bambägga haben „viel zu erzählen“. Auf der „Lutzi“-Bühne entlud sich am Freitagabend ihre geballte Kreativität. (Foto: Lukas Veth)
„Wir haben Bock!“, lassen Liedfett ihre Fans schon zum Festival-Auftakt wissen. Eine Ankündigung, die sie bei ihrer „Lutzi“-Premiere am Donnerstagabend eindrucksvoll auf der Hauptbühne unter Beweis stellten. (Foto: Dani Red)
Liedfett nutzten die Zeit für ihre Familien und diverse Solo-Projekte. Ihr aktuelles Album „Durchbruch“ hatten sie bereits 2020 an den Start gebracht. „Wir tun so, als wäre alles genauso wie vorher“, schmunzelt Sänger Daniel Michel, der die Pandemie gemeinsam mit seinen Bandkollegen einfach nur hinter sich lassen möchte. „Ein bisschen verrückter“ sei man natürlich doch geworden. Ob das auch für die Lokalmatadoren von Scallwags gilt? Bestimmt! Immerhin nutzten sie die Gelegenheit, um auf ihrer „Lutzi“, die sie nun zum fünften Mal beehrten, ihren „25. + 1“ Geburtstag zu feiern, wie Frontmann Thomas Tille verriet. Eine unglaubliche Zeitspanne, von der sie manchmal selbst nicht wüssten, wie man diese gemeinsam bestritten habe. Selbstredend, dass sie für das Publikum nun auch ihr kürzlich entstandenes Jubiläumsalbum im Gepäck hatten. Schließlich muss man die Feste feiern, wie sie fallen. „Konzerte“, so Thomas Tille weiter, „haben uns definitiv gefehlt.“
Ohne Scallwags keine „Lutzi“. Fast! Bereits zum fünften Mal ist die Band in Rottershausen zu Gast und hoffentlich noch viele weitere Male. (Foto: Lukas Veth)
Große Freude herrschte auch bei Matze Rossi, der kurzfristig am Freitagabend auf der Hauptbühne auftrat. Der krankheitsbedingte Ausfall von Grossstadtgeflüster hatte ihm eine unverhoffte „Lutzi“-Premiere beschert. Aber spontan sein, das liege ihm absolut im Blut, so der erfahrene Profi, der die Pandemie ebenfalls zur Produktion seines neuen Albums „Wofür schlägt dein Herz“ genutzt hat.
„Ich wollte hier schon immer spielen!“, so Matze Rossi. Am Freitagabend erfüllte sich endlich sein lang gehegter Wunsch. (Foto: Lukas Veth)
Gemeinsam etwas auf die Beine stellen
Wofür das Herz des „Lutzi“-Team schlägt, ist seit mehr als zehn Jahren klar. Das, was hier ehrenamtlich gestemmt werde, sei herausragend, so der Konsens der teilnehmenden Bands. Dieses Engagement sei gerade in der Musikbranche unabdingbar. „So etwas ist unglaublich bereichernd“, zeigte sich David Ochs von „Bambägga“ überzeugt. „Man lernt wahnsinnig viele Menschen kennen und macht tolle, neue Erfahrungen. Das erweitert auch den persönlichen Horizont.“ Davon könne man sein Leben lang zehren.
Das war wie Heimkommen. Die Bamberger HipHop-Combo Bambägga steht dem „Lutzi“-Team gern Rede und Antwort. (Foto: Tom Vogelsang)
Selbst etwas nach eigenem Gusto gestalten – diese Motivation steht für Liedfett im Vordergrund, sich einzubringen. Auf der „Lutzi“ gelingt das seit „Stunde null“ mit Bravour. Das geschieht offenbar wider dem vorherrschenden Zeitgeist, wie Matze Rossi beobachtet. Trägheit, das sei ein Phänomen, das sich bereits vor Corona abgezeichnet habe. „Es wird immer mehr konsumiert und immer weniger selbst gemacht“, so sein Eindruck. Auf der anderen Seite müssten jedoch auch erfahrene Leute der Jugend „Platz machen“. Er ist jedoch zuversichtlich, dass sich diese Zeiten auch wieder ändern würden. „Es ist dem Menschen inne, miteinander kreative Dinge zu machen.“
Dieses Jahr hat es endlich geklappt! Im Interview erzählt Matze Rossi, dass er sich in der Vergangenheit schon einige Male mit seiner Band Bad Drugs beworben hatte. (Foto: Dani Red)
Eine „Lutzi“ wie aus dem Bilderbuch
Den Bewohnern von Rottershausen liegt das definitiv im Blut. Mehr als 12.000 Menschen besuchten nach Angaben von „Lutzi“-Chef Christian Stahl das diesjährige Festival. Besonders freue ihn, dass der Donnerstag deutlich besser besucht wurde als noch 2019. „Insgesamt war es eine sehr gelungene Ausgabe des Lutzi-Festivals“, so sein Fazit. „Trotz kurzfristiger Umplanungen und langer Pause seit 2019 ist es dem Team gelungen, das Festival wieder in gewohnter Form hochzufahren.“
Schöner hätte der „Lutzi“-Start nicht sein können. Drei Tage lang wurde friedlich und ausgelassen gefeiert. (Foto: Lukas Veth)
Corona bedingt habe es leider im Vorfeld einige kurzfristige Absagen gegeben. Grossstadtgeflüster und Blond konnten ihren Auftritt am Festival nicht spielen. „Mit Matze Rossi am Freitag und Blackout Problems am Samstag haben wir in kürzester Zeit sehr guten Ersatz gefunden“, so Stahl weiter. Auch das Team von „Kein Bock auf Nazis“ konnte leider nicht anreisen, da diese ebenfalls in Quarantäne saß. „Unser Team hat in allen Bereichen sehr schnell und flexibel umgeplant, sodass es für die Gäste kaum wahrnehmbar war – bis auf die neuen Bands natürlich.“
Fulminanter Schluss: Blackout Problems rissen in der Nacht auf Sonntag die Zeltbühne ab und feierte nicht nur das Publikum, sondern vor allem die Menschen hinter den Kulissen. (Foto: Dani Red)
Das erst zum Jahresanfang angestoßene Thema Barrierefreiheit ging sich ebenfalls gut an. „Es ist ausbaufähig, aber für den Auftakt gut gelaufen“, bilanziert Christian Stahl. Angebote wie eigene Toiletten oder die eigens eingerichtete Rollstuhl-Tribüne seien gut angenommen worden. Im Nachklang soll noch ein Feedbacktermin mit einigen Gästen stattfinden. Man lernt schließlich nie aus – im Gegenteil.
„Mein Herz schlägt schneller als ich denken kann“, riefen Moop Mama dem Publikum am Samstagabend euphorisch zu. Damit sprachen sie sicherlich den meisten Anwesenden direkt aus der Seele. (Foto: Dani Red)
„Wir sind alle erschöpft, aber glücklich!“
So kurz nach der „Lutzi“ 2022 ist die Stimmung innerhalb des Teams kaum in Worte zu fassen. „Wir sind alle erschöpft, aber glücklich!“ Highlights habe es sicherlich viele gegeben, so der „Lutzi“-Chef. Am bewegendsten sei jedoch der Moment nach zwei Wochen wirklich herausfordernden Aufbaus und Vorbereitung gewesen, als die ersten Gäste auf dem Campingplatz das Areal mit Leben füllten. Das bleibe unvergesslich. In diesem Sinne: „Bis nächstes Jahr: In der Zeit vom 22. bis 24. Juni 2023!“
Text: Nicole Oppelt
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