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Im Rausch der „Leoniden“…

„Wir sind gerade so krass ‚über den Punkt‘, dass wir einfach nur noch happy sind“, beschreibt Jakob das Auftrittspensum der Band. (Foto: Lukas Veth)

Die Kieler Band „Leoniden“ feiert ein ausgelassenes Debüt auf dem „ab geht die Lutzi 2019“. Im Interview spricht Frontmann Jakob über den Wert kleiner Festivals, den eigenen Drang zur Selbstoptimierung, die Liebe zur Musik und den Fans und last but not least über das Für und Wider von Nachwuchswettbewerben.

Freitagnachmittag kurz vor 15 Uhr. Die Ruhe vor dem „Sturm“. Auf dem „ab geht die Lutzi“-Gelände herrscht geschäftige Stimmung. In wenigen Stunden werden die Besucher die Jubiläumsausgabe des Festivals stürmen. Soundchecks laufen, Stände bekommen ihren letzten Schliff. Techniker und ehrenamtliche Helfer bereiten sich auf ein grandioses Wochenende vor. Der von außen so undurchsichtige „Ameisenhaufen“ funktioniert wie ein gut geöltes Uhrwerk. Mitten drin sitzt Jakob Amr, Frontmann der Band „Leoniden“. Am 14. Juni sind die Kieler einer der Mainacts auf der Hauptbühne. Der junge Mann hat auf einem alten Sofa auf der Terrasse des angrenzenden Sportheims Platz genommen. Der 1990 in Saarbrücken geborene Musiker und seine Bandkollegen genießen das besondere Flair auf dem „ab geht die Lutzi“. Klein und beschaulich – das absolute Kontrastprogramm zu den Großveranstaltungen dieses Sommers.


„Wenn wir das nicht so lieben würden, was wir machen, würden wir es auch nicht machen“, erklärt Jakob einen Aspekt der Band-Motivation. (Foto: RE ON TOUR)

„Schaut euch um und geht mehr auf solche Festivals!“

Interviews wie diese mit dem „Lutzi“-Presseteam hat Jakob wohl schon zuhauf geführt. Von der einstigen Schülerband „Leoniden Cabaret“ haben es die „Leoniden“, denen er seit 2015 angehört, nun bis an die Spitze geschafft.

„Deutschland hat eine geile, bunte Festivallandschaft“, resümiert Jakob. Veranstaltungen wie das „ab geht die Lutzi“, so erzählt er im Gespräch, seien dennoch „etwas ganz Wichtiges und Fantastisches“. Als „Gold“ bezeichnet er das, was hier ehrenamtlich auf die Beine gestellt und dieses Jahr geschätzte 10.000 Gäste anlockte. Viel hätten sie im Laufe ihres Musikerdaseins bereits gesehen, berichtet er. Ein sicheres Indiz dafür, dass alles richtig laufe sei, „wenn die Leute hinter den Kulissen nicht rennen“. „Auf der Lutzi werde sich um alles sehr gut gekümmert. Alle sind gechillt und es hat eine super Größe.“ Es sei ein Festival, das abseits großer Städte wie Hamburg, Berlin oder Köln stattfinde und eigentlich immer um Gäste kämpfen müsste. „Das wurde hier sehr gut geschafft.“ „Schaut euch um und geht mehr auf solche Festivals!“, lautet daher auch sein dringender Appell an Jung und Alt.

„Eskalation pur“ – Nur so lässt sich ein Auftritt der „Leoniden“ angemessen beschreiben. (Foto: Lukas Veth)

Bloß kein Potenzial verschwenden

Das „Lutzi“-Team besteht aus Perfektionisten. Auch die „Leoniden“ gelten als solche. Alles scheint den Gewinnern des New Music Awards 2017 zu gelingen. Auf den ersten Blick. „Bei uns geht schon viel schief“, gesteht Jakob schmunzelnd. „Aber wir sind diszipliniert und motiviert genug, um es dann einfach nochmal zu versuchen, bis es klappt und wir es dann richtig machen.“ Dieser Weg gehöre für sie unbedingt dazu. „Es ist krass harte Arbeit“, beschreibt er den Drang seiner Band nach „Selbstoptimierung“. Zeit zum Durchatmen bleibt da im Augenblick kaum. Der Terminkalender ist mehr als gut gefüllt. Gleich nach der „Lutzi“ stand ihr bislang „größtes Abenteuer“, ein Auftritt in New York auf dem Programm, von dort ging es weiter zum „Hurricane“ und zum Schwesterfestival „Southside“. Im August steht mit dem „Sziget“-Festival auf einer Donauinsel in Ungarns Hauptstadt Budapest eine weitere Premiere an. Im Herbst geht es dann erneut auf Tournee.

„Bisher ist unser Geheimrezept, dass dieser Leoniden-Rausch nicht aufhört“, versucht Jakob die Motivation der Band zu beschreiben. Zweieinhalb Wochen Urlaub in den vergangenen vier Jahren – eine Bilanz, die wohl auch so manchem Top-Manager deutlich zu mager sein würde. Dennoch sei diese Zeit, in der sie sich nicht gesehen hätten, „ganz furchtbar“ gewesen. „Man hat das Gefühl gehabt, das Potenzial zu verschwenden. Eigentlich hätten wir auch zwei Wochen arbeiten können. Wer weiß, welche Songskizzen wir da jetzt hätten.“ Auszeiten von der Bühne gebe es jedoch. Und zwar gezielt: Erst kurz vor der „Lutzi“ standen zwölf freie Tage auf dem Programm, die „ganz diszipliniert“ dazu genutzt worden seien in den Probenraum zu gehen und neue Stücke zu schreiben. „Wir haben immer neue Sachen am Start. Bis diese allerdings gut genug sind, um daraus ein Album zu machen, dauert es allerdings ein bisschen“, erklärt Jakob den „Reifungs- und Schaffensprozess“ der „Leoniden“-Songs, der durch die Gruppendynamik der Band immer wieder nach oben gepusht würde. Das sei die eine Seite. Auf der anderen Seite sei es der erwachsene Blick auf einen „ganz pubertären Traum“, so Jakob weiter. Denn: „Es ist genau das, was wir immer machen wollten.“ Das motiviere derart, dass sie das einfach beibehalten wollen. „Bloß nicht dekadent werden und schwächeln.“

Die „Leoniden“ leben sich nicht nur auf der Bühne aus. Jakob genießt das Bad in der Menge sichtlich. (Foto: Lukas Veth)

„Wir leben dieses Paradox bis zum Paradies!“

Druck von außen verspürten sie nicht. Sie selbst seien (auch untereinander) ihre größten Kritiker – abgesehen von engen Freunden und natürlich den jeweiligen Partnerinnen, die als wertvoller „Spiegel“ fungieren würden. Gerade vor dem zweiten Album „Again“ (2018), was ja immer etwas problematisch wäre, sei er ihnen jedoch wohl bewusst gewesen. „Wir konnten die Problematik ganz genau benennen. Der Druck von außen macht mit uns jedoch gar nichts. Wir wollten, dass es besser ist, als das Erste. Punkt“, sagt Jakob mit Nachdruck. Dass ihnen das aufgrund der eigenen musikalischen Vielfalt und vor allem Kreativität, die vermeintlich Unvereinbares doch unter einen Hut bringt, auch künftig gelingen wird, glaubt man ihm sofort. „Wir leben dieses Paradox bis zum Paradies, weil wir alle für die gleiche Sache kämpfen.“

Dieses Lebensgefühl teilen die „Leoniden“ mit ihren Fans. Der Kontakt zu ihnen ist eng und für die Band immens wichtig. Über Soziale Medien lassen sie ihre „Follower“ an ihrem Alltag teilhaben. Oft trifft man die Band auf den Festival-Geländen. „Wir geben uns immer viel Mühe, die Band zu sein, die wir selbst auch gerne gehabt hätten als wir Fans waren“, erklärt Jakob diese besondere Bindung. „Ich feiere einfach Leute, die feiern, was wir tun. Denn sie ermöglichen uns überhaupt erst das zu machen, was wir machen. Und das in Deutschland. Krass! Wir lieben Euch!“, sagt Jakob, der es liebt, die Bühne als „Entfaltungsraum“ zu nutzen und mit seinen Bandkollegen ein „Sprungbrett zum völligen Durchdrehen“ liefern möchte, es aber abseits von dieser durchaus etwas „eingeigelter“ mag.

Ein Bandwettbewerb als Sprungbrett? Vielleicht!

Wenig nach diesem Gespräch startete das bayerische Landesfinale von Deutschlands ältestem und größtem Non-Profit-Nachwuchswettbewerb „local heroes“. Nach fünf Jahren Abstinenz haben die Organisatoren auf dem „ab geht die Lutzi“ eine neue Heimat gefunden und damit einen Ort, an dem sie dem großen Potenzial bayerischer Nachwuchsmusiker endlich wieder eine Bühne bereiten können. „Betamensch“, „Lonely Spring“, Machete Dance Club“ und „Savanna Skean“ stellten sich an diesem Abend auf der Zeltbühne Publikum und Jury. Wie es den jungen Leuten dabei ergangen sein mag, das konnte sich Jakob schon am Nachmittag ausmalen. Er hat ebenfalls Erfahrungen mit „local heroes“ sammeln können. Denn einst hatte er selbst am Wettbewerb teilgenommen, damals als Gitarrist einer Band. Der Auftritt in Uelzen ist ihm bis heute in lebhafter Erinnerung geblieben, obschon es leider nicht für den Einzug ins Bundesfinale gereicht hatte. Bis heute kenne er viele Leute, die für „local heroes“ aktiv seien. Zum Thema Bandwettbewerb habe er dennoch eine „gespaltene Meinung“, gibt er zu. Auch, wenn „Leoniden“ selbst am New Music Award, einem Förderpreis der jungen Radiosender, teilgenommen und diesen gewonnen hätten. „Wir haben uns wirklich geehrt gefühlt“. Das habe der Band viel „Rückenwind“ verschafft. Auf der anderen Seite sei Musik seines Erachtens nicht eindimensional in eine Zahl zu erfassen und in eine Reihenfolge zu bringen, also diese Genre übergreifend gleich zu bewerten. „Das widerspricht der Power der Musik.“

„Ich würde darauf achten, ob diese Bands etwas auszudrücken haben. Inhalt und Energie, darauf kommt es an“, beschreibt Jakob seine potenziellen „Bewertungskriterien“ für „local heroes“. Auch Nervosität vor dem Auftritt sei ein „Pluspunkt“. „Denn dann bedeutet es ihnen etwas.“ (Foto: Julia Wartmann (Betamensch - local heroes Bayern Landesfinalsieger))

Für junge Bands sei es deshalb das Wichtigste Lust darauf zu haben, Musik zu machen. „Gerade in der heutigen Zeit, in der zum Bandsein so viel mehr gehört als das Musikmachen, bleibt das häufiger auf der Strecke als man glaubt.“ Ein Bandwettbewerb als Sprungbrett? Vielleicht! – gibt er sich diplomatisch. Denn für eine Band, die nicht viel gespielt habe, sei es tatsächlich schwer, an Konzerte heranzukommen. Und gerade, wenn diese Band nicht aus einer Großstadt komme, so Jakob. „Solche Veranstaltungen geben jungen Bands das Gefühl, dass sie auch etwas wert sind und eine Rolle spielen können.“ Sie würden ihnen eine Bühne und damit Gelegenheit bieten, Bühnenerfahrung zu sammeln. Es sei eben „der Schritt weiter“, raus aus dem Jugendzentrum um die Ecke. Einen solchen Wettbewerb zu gewinnen, das spiele allerdings keine Rolle, so der Sänger.

Interview und Text: Nicole Oppelt/Lisa Fuchs

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