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„Unterm Radar ist es oft am spannendsten!“

Seit Jahrzehnten ein Tummelplatz der Talente: das Wasserhaus der Musikinitiative Hammelburg. Hier ein Konzert von 2009 mit Hannes Wittmer – heute erfolgreicher Profimusiker. (Foto: Dani Red)

Kulturförderung ist in der Wirtschaft seit langem en vogue. Doch abseits des Mainstreams sieht es oftmals dünn aus – obwohl sie umso lohnenswerter ist.

Warum engagiert sich ein mittelständischer Unternehmer aus Hammelburg seit Jahrzehnten für Newcomer-Bands, DIY-Kultur und Jugendräume jenseits des Mainstreams? Alexander Stolz glaubt nicht an klare Grenzen zwischen Wirtschaft und Kultur – und macht vor, wie beides gemeinsam wächst. Ein Gespräch über Haltung, Heimat und das gute Gefühl, wenn Azubis auf dem Firmenfest zur Band abfeiern, die gestern noch im Proberaum stand.

Zusammenhalt und Gemeinschaft über alle Grenzen hinweg: Das ist der Spirit des Wasserhauses. (Foto: Dani Red)

Manchmal braucht es nur ein paar Sätze, um zu verstehen, warum jemand tut, was er tut. „Ich sehe das nicht so getrennt, wie manche das gerne sehen wollen. Sie sagen: Kultur ist etwas, das ohne Wirtschaft funktionieren muss und umgekehrt.“ Alexander Stolz, Geschäftsführer der Gebr. STOLZ GmbH & Co. KG, spricht nicht in PR-Floskeln. Sondern mit Haltung. Seit vielen Jahren engagiert er sich für kulturelle Projekte, die mit großen Logos und feinen Anzügen wenig am Hut haben – und vielleicht gerade deshalb den Raum brauchen, um zu wachsen. Local Heroes Bayern zum Beispiel. Eine Plattform für junge Musikerinnen und Musiker, die seit 2012 mit der Region Hammelburg und Bad Kissingen eng verbunden ist. Alexander Stolz war von Anfang an als Unterstützer mit an Bord. Es war kein logischer Schritt, es war ein überzeugter. Denn Mainstream sei oft glattgebügelt, sagt er. Subkultur hingegen rau, echt, unbequem. Und genau darin liegt für ihn der Reiz – und die Verantwortung: „Ich mag gerade diese ungeschliffenen Diamanten lieber als die nassgeschliffenen.“

Im Wasserhaus der Musikinitiative wurden wilde Konzerte gefeiert und auch Grundsteine gelegt. Heute segelt Jens Schneider nicht mehr über die Köpfe des Publikums, sondern feiert als namhafter Produzent echte Charterfolge. (Foto: Dani Red)

Vom „Langhaarigen“ zum Lokalpatrioten

Seine eigene Geschichte beginnt weit vor Local Heroes Bayern. Mit 18 Jahren wurde Alexander Stolz Vorsitzender der Musikinitiative Hammelburg e.V., „das muss so 1996 oder 97 gewesen sein“, erinnert er sich. Zehn Jahre hat er in diesem Amt der größten Musikinitiative Unterfrankens verbracht. Zehn Jahre voller Gegenwind, Idealismus – und ziemlich viel Rock’n’Roll. „Wir wurden beäugt: Das sind die Langhaarigen, die Drogis, die da draußen vor der Stadt eine Höhle bauen wollen.“ Gemeint war das Wasserhaus – ein Ort, der heute als kulturelles Kleinod gilt. Damals war es ein Politikum. Zufahrtswege, Kanalanschluss, Genehmigungen – der Weg war steinig. „Aber wir haben es mit gut 20.000 ehrenamtlichen Helferstunden gestemmt.“ Warum dieses Engagement? „Weil hier viele Potenziale schlummern. Und weil das für junge Menschen eine gute Schule ist.“ Für ihn war es das auch: Veranstalten, Verantwortung übernehmen, sich ausdrücken – all das sei Teil seiner eigenen Prägung gewesen.

Nicht nur Alexander Stolz machte seine ersten Schritte im Wasserhaus. Auch Local Heroes Bayern startete hier in die Newcomer-Förderung. (Foto: Dani Red)

Ein Auftritt mit „anderen“ Herausforderungen

Diese Haltung wird auch sichtbar, wenn Alexander Stolz Kultur zu sich ins Haus holt. Mitte Juli hatte er die Würzburger Band Udo West, Local Heroes-Bundessieger 2024, zu seinem Firmenjubiläum eingeladen, um seinen Gästen einen ansprechenden musikalischen Rahmen zu bieten. „Es war ein schönes Fest, riesig aufgebaut, richtig professionell mit großer Bühne und allem. Das hat uns beeindruckt“, schwärmt Udo, Frontmann von Udo West. „Natürlich ist es immer noch ein Firmenfest, wo Leute zum Essen und Trinken hingehen. Wir sind mit der Erwartung reingekommen, dass es kein normaler Auftritt wird, wo die Leute wegen uns kommen – aber ich glaube, ein paar sind dann doch neugierig geworden“, freut sich der Sänger.

Begeisterten ein unbekanntes Publikum: Udo West haben die „Herausforderung” Firmenfest mit Bravour gemeistert. (Foto: Dani Red)

Ein schöner Moment: Udo West-Fronmann Udo steht allein auf der Bühne beim Sommerfest und singt seine Ballade „Mama Leone”. (Foto: Dani Red)

Solche Auftritte, erklärt er, seien für die Band nichts völlig Neues: „Mit unserer Coverband Die Kusängs haben wir schon auf vielen Weihnachtsfeiern oder Firmenfesten gespielt. Wir wissen, wie das läuft.“ Die Atmosphäre unterscheide sich deutlich von einem klassischen Konzert – und mache die Auftritte auf eine ganz andere Art und Weise spannend: „Auf einer Firmenfeier sind Menschen zusammengewürfelt, die eigentlich nur beruflich miteinander zu tun haben. Aber wir hatten Spaß und wussten, was auf uns zukommt.“

Sie hatten sichtlich Spaß auf dem Sommerfest der Firma Stolz: Die Kusängs und Duke Elvis. (Foto: Dani Red)

Beim Stichwort „Unterstützung“ wird Udo nachdenklicher. Warum sind Menschen wie Alexander Stolz, die Kultur und vor allem Musik mit Leidenschaft fördern, so wichtig? „Wenn da jemand interessiert ist an Musik und junger Kultur und diese unterstützt, ist das super! So kommt man ins Gespräch. Ich erinnere mich ans Ab geht die Lutzi-Festival, da haben wir uns mit ihm unterhalten, das war wirklich nett.“ Aus Sicht kleiner Acts könne eine solche Förderung entscheidend sein: „Gerade bei kleineren Bands und Vereinen ist das definitiv sinnvoll. Große Headliner brauchen das nicht, aber wenn kleinen Acts unter die Arme gegriffen wird, hilft das ungemein.“ Udo nennt Beispiele: „Die Unterstützung für Local Heroes Bayern oder der Preis für junge Kultur in Würzburg, den wir bekommen haben – das hilft einer Band einfach.“ Neben finanzieller Förderung zählen für ihn auch Menschen, die ohne großes Aufheben Hilfestellung geben: „Ein uns bekannter Manager, mit dem wir aber gar nicht zusammenarbeiten, sagt immer: Du kannst jederzeit anrufen, wenn du Fragen hast. Solche kleinen Gesten sind viel wert.“ Am Ende ist er sich sicher: „Ohne Leute wie diesen Manager, aber auch Alexander Stolz geht’s nicht!“

Ein Meilenstein in einer außergewöhnlichen musikalischen Reise: 2024 entschieden Udo West das Local Heroes Bayern-Landesfinale für sich. (Foto: Martin Schöffel)

Was er anderen Unternehmern mitgeben will

Alexander Stolz ist sich dessen sicherlich bewusst. Heute, gut 30 Jahre nach seinen ersten Schritten in der Subkultur, ist er ein erfahrener Unternehmer. Und sein kulturelles Engagement wirkt weiter – nicht trotz, sondern wegen seines beruflichen Hintergrunds. „Ich merke, dass gerade die jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Azubis stolz sind, wenn sie sehen: Hey, mein Unternehmen unterstützt sowas.“ Es schafft Identifikation. Und ein positives Image – auch wenn er das gar nicht so in den Vordergrund stellen möchte. Was er anderen rät? Ganz einfach: Authentizität. „Man muss sich mit dem Thema verbunden fühlen. Einfach ein Image kaufen – das funktioniert nicht.“ Und wenn man selbst keinen Bezug hat, dann solle man im Unternehmen fragen: Wer hat Lust, sich zu kümmern? „Fördern ohne Förderbedarf bringt auch nichts.“

Nach ihrem Auftritt beim Sommerfest trafen Udo West auf Fans am Merchstand und gaben Autogramme. (Foto: Dani Red)

Ein völlig unbekanntes Publikum? Nein! Auch auf dem Firmenfest befanden sich Fans von Udo West. (Foto: Dani Red)

Warum Local Heroes Bayern?

Die Antwort fällt ihm leicht. „Weil es hier bei uns stattfindet. Ich könnte auch Kultur woanders fördern. Aber mir ist die Regionalität wichtig.“ Es sei niederschwellig, tief verwurzelt, mit Spaß und Haltung. Ein Ort, an dem DIY zählt – und keine perfekten Lebensläufe. Und es wirkt: Die Mischung aus jungen Talenten wie Udo West und regionaler Verwurzelung bringt Schwung. Stolz’ Engagement ist dabei kein bloßer Schirmherrschaftsakt. Seit Jahren ist er bei den Landesfinal-Abenden von Local Heroes Bayern persönlich vor Ort. Nicht als Ehrengast, sondern als aufmerksamer Beobachter, der hautnah erfahren will, was die Nachwuchsszene bewegt. „Nur so spürt man, was da kommt – an Energie, an Talent, an Haltung. Und das vor und hinter den Kulissen.“

Strahlende Gesichter nach einem glanzvollen Landesfinale: Dank großzügiger Unterstützung ist es Local Heroes Bayern möglich, den Acts eine unvergessliche Nacht zu bescheren. (Foto: Line Tsoj)

Ein letzter Satz, der hängen bleibt

„Wirtschaft hat nichts mit Kultur zu tun? Das stimmt nicht. Die Grenzen sind für mich fließend – und unterm Radar ist es oft am spannendsten“, betont Alexander Stolz gleich mehrmals während des Gesprächs. Vielleicht braucht es gar nicht mehr Worte, um zu verstehen, warum er tut, was er tut…

Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft: Duke Elvis, ein langjähriger Musikini-Wegbegleiter von Alexander Stolz, war für die Moderation des Sommerfestes verantwortlich und trat als Special Act auf. Local Heroes Bayern fand den Entertainer auf Anhieb sympathisch - wer weiß, was künftig aus dieser neuen Verbindung entsteht. (Foto: Dani Red)

Text: Nicole Oppelt

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