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local heroes Bundesfinale 2022: „Görda“ aus Sachsen werden doppelt ausgezeichnet

„Görda“ gehört zu Deutschlands vielversprechendsten Newcomer-Acts. Seit 11. Dezember steht fest, Songwriting und Instrumental-Performance gehören zu ihren absoluten Stärken.

„Das Songwriting von Görda hat eine ganz eigene Sprache. Es gibt in den Songs kleine Messages, was mir sehr gut gefiel“, schwärmt Jurorin Jenniffer Kae. (Foto: Line Tsoj Fotografie)

„Görda“ gingen 2022 als Bundesfinalisten für Sachsen ins Rennen um Deutschlands größten Non Profit-Newcomer-Musikpreis. Die Umsetzung des local heroes-Bundesfinales 2022 knüpfte an das erfolgreiche Konzept der vergangenen zwei Jahre an. Statt des gewohnten Live-Events im Kulturhaus Salzwedel (Sachsen-Anhalt), wurde mit den Bundesfinalist:innen Anfang September eine aufwendige Bundesfinal-Doku auf Schloss Hundisburg bei Magdeburg produziert. Diese wurde am 11. Dezember in Musikclubs, soziokulturellen Zentren und weiteren Einrichtungen der Kulturszene in den Heimatstädten der Finalist:innen ausgestrahlt. „Görda“ überzeugten die Jury gleich doppelt. Multi-Instrumentalistin Annelie Weißel erhielt den Preis für die „Beste Instrumental-Performance“. Das Duo in Gänze erhielt außerdem die Auszeichnung „Bestes Songwriting“.

Local heroes erfindet sich immer wieder neu! Bereits in den vergangenen zwei Jahren hat Deutschlands größter Non Profit-Newcomer-Musikpreis aus der „Not“ eine Tugend gemacht und die Pandemie zum Vorteil der deutschen Newcomer:innen genutzt. Entstanden sind in dieser Zeit hochwertige Musikfilme, die deutschlandweit in Kinos, im Fernsehen und online zu sehen waren. 2022 geht das Team um Projektleiterin Julia Wartmann noch einen Schritt weiter. Auf Schloss Hundisburg bei Magdeburg kamen über mehrere Tage die elf besten Newcomer:innen Deutschlands zusammen. Neben den Dreharbeiten und Coachings traten alle Finalist:innen erstmals wieder live vor local heroes-Publikum auf. Gelebt wurde in dieser Zeit nicht nur der Netzwerk-Gedanke des Vereins Aktion Musik / local heroes e.V. Entstanden ist auch eine einzigartige Musik-Doku, die die Finalist:innen in verschiedenen Facetten präsentiert.

„Wir wollen unseren eigenen Weg gehen und damit auch andere ermutigen“, zeigen sich „Görda“ fest entschlossen. (Foto: Line Tsoj Fotografie)

„Sie machen ihre Musik sehr souverän“

Mit dabei waren auch „Görda“ aus Leipzig, die bereits bei der diesjährigen BahnhofBeats Sound Edition im Finale standen und schließlich im sächsischen Landesfinale Jury und Publikum überzeugten. Sophia und Annelie kennen sich bereits seit Teenagertagen. „Wir haben schon immer unsere Liebe zur Musik geteilt und in diversen Ensembles und Bands zusammen gespielt.“ Da sei es dann nicht mehr so fern gewesen, auch mal zu zweit herumzuprobieren. Gesagt, getan: Gemeinsam ging es auf eine längere Work&Travel-Tour. „Aus Mangel an Jobangeboten, haben wir uns dann eine kleine Reisegitarre gekauft, um mit Straßenmusik unsere Campingplatzgebühren zu bezahlen. Da entstanden dann unsere ersten Songs.“ Und es hat geklappt! Noch heute sind die Erinnerungen an diese Zeit sehr lebendig. Das Projekt „Görda“ entstand jedoch später. Studium, Auslandsaufenthalte – es fehlte einfach die Zeit. Im Zuge des Lockdowns strandeten beide Künstlerinnen in ihrer Heimat Kiel. In der Gartenlaube bei Sophia wurde täglich gejammt, gespielt, experimentiert und alte Songs neu interpretiert. „Das hat sich so gut angefühlt, dass wir drangeblieben sind und von da an Görda als Band ernst genommen haben.“

„Görda“ beeindruckten die Anwesenden mit Ihrer Live-Performance. Über die Rückmeldungen waren die jungen Frauen begeistert: „Uns wurde Mut gemacht, die nächsten Schritte anzugehen.“ (Foto: Line Tsoj Fotografie)

In den Augen der local heroes-Jury hat sich das auf jeden Fall gelohnt. Annelie Weißel, die Bass, Querflöte und vieles mehr bedient, erhielt die Auszeichnung für die „Beste Instrumental-Performance“ in diesem Jahr. Herausragend empfanden die Experten auch ihr Songwriting-Talent. Die Band erhielt daher außerdem den Titel „Bestes Songwriting“. Juror Pablo Christlein ist begeistert von den beiden. „Wenn ich an Görda denke, fallen mir zwei fantastische Female-Artists auf, die on the top performen. Ich schaue den beiden sehr, sehr gern zu beim Musizieren. Sie machen ihre Musik sehr souverän. Bei ihrem letzten Song musste ich tatsächlich weinen, weil es ein ganz berührender Song war, der die Tiefen bei mir aufgemacht hat.“ So wie dem Profi ergeht es auch den beiden Frauen. „Es gibt immer wieder diese Momente, wo wir zu zweit auf der Bühne stehen und es fühlt sich einfach richtig gut an, wir sind im Moment, erzählen unsere Geschichten, fühlen die Musik und sind auf eine ganz besondere Art mit uns und dem Publikum verbunden.“ Häufig kämen Leute nach dem Konzert zu ihnen und erzählten, dass sie Tränen in den Augen, Gänsehautmomente oder sie sich in einem Song selbst wiedergefunden hätten. „Solche Momente sind unvergesslich und so ein Geschenk!“

„Görda“ möchten mit Hörgewohnheiten brechen

Für „Görda“ ist es „immer wieder faszinierend, wie Menschen durch die Musik ohne Umwege berührt werden“. Das könnte – abgesehen von ihrem musikalischen Talent – wohl an einer Sache liegen: Beide sind sich sehr bewusst, welchen Stellenwert ihre Freundschaft hat. Auf keinen Fall möchten sie diese „unter dem Bandorganisationskram“ vergraben. Ihr Rezept: Regelmäßig „verabreden wir uns und es ist klar, jetzt geht’s nicht um Görda. Die Freundschaft steht an erster Stelle, sonst würde unsere Musik auch gar nicht funktionieren“.

Doch auch in punkto Musik gibt es Dinge, die ihnen wichtig sind. „Unser Stil vereint viele unserer Einflüsse von Pop, Jazz, Neo Soul bis zu Klassik und freier Impro. Wir wollen experimentieren und Kreativität ausleben, aber es ist uns wichtig, dass die Songs zugänglich und intuitiv bleiben und sich vor allem gut anfühlen“, erklären die beiden Frauen ihren „Maßstab“. Es passiere so schnell, gedanklich zu sehr von außen zu bewerten. Dann würden sie sich wieder daran erinnern, dass sie ohne Kompromisse auf ihr eigenes Bauchgefühl hören wollen. Zudem probieren sie gerne aus, spielen mit ihren Instrumenten und erforschen, welche Sounds sie kreieren können. Hierfür nutzen sie eine außergewöhnliche Instrumentierung. Sie kombinieren zum Beispiel Cello und Querflöte mit Synthesizern und E-Bass. Dazu schreiben sie Texte (meistens) auf Deutsch, die mal sehr lyrisch und dann wieder eher nach Rap klingen würden. „Auf der einen Seite möchten wir, dass die Songs zugänglich bleiben, und auf der anderen Seite haben wir den kreativen Anspruch, mit Hörgewohnheiten zu brechen und Musik unvoreingenommen immer wieder neu zu entdecken.“

„Görda“ macht Musik, der man besondere Aufmerksamkeit schenken sollte. Und es lohnt sich, genau hinzuhören. „Unsere Songs behandeln persönliche und gesellschaftliche Themen“, fassen sie zusammen. Häufig gehe es um Freiheitsdrang, Selbstbestimmtheit, Momentaufnahmen aus zwischenmenschlichen Beziehungen, Umwege und Abwege von Erwartungen und Normen, generell Systemfehler, Trotz, Lebenslust, Empowerment. Viele Ideen entstünden vor allem, weil es ein Gefühl gebe und das müsse raus. Das könne von persönlicher (zum Beispiel Sehnsucht) oder gesellschaftlicher Natur (Wut auf Ungerechtigkeiten) sein. „Es ist schön zu hören, dass sich Leute darin wiederfinden.“

Teilnehmer:innen-Feld auf sehr hohem Niveau

Doch zurück zum Bundesfinale. Aufnahmen, Live-Sessions, Interviews, Fotoshootings – „Görda“ betraten hier Neuland. Und das, obwohl sie local heroes bereits seit Schulzeiten kennen. Entsprechend gestaltet sich auch ihr Eindruck vom Bundesfinal-Wochenende. „Die Live-Session fühlte sich einfach an wie ein Konzert, das war noch bekanntes Terrain. Und es war sehr cool, an den Tagen danach so viele Bands zu hören. Die Jam-Sessions fanden wir spannend, weil Musiker:innen aus so unterschiedlichen Stilistiken zusammengespielt haben. Das kommt sonst super selten vor.“

Der Live-Video-Dreh am darauffolgenden Tag war in dem Rahmen ebenfalls eine Premiere für sie. „Es war alles sehr professionell organisiert. Wir wurden super betreut, der Sound war toll. Wir hatten drei Takes für unseren Song ‚Innen Ist Dicht‘. Wir wussten, da wird nichts geschoben oder gepitcht und es landet dann aber direkt im Netz. Deshalb ist der Druck eigentlich höher als bei einem Live-Konzert oder einer Studio Session. Aber irgendwie hat es vor allem Spaß gemacht.“

„Wir legen besonderen Wert darauf, dass unsere musikalische Interpretation der Aussage der Songs dienlich ist. Es geht um das Gefühl, was wir vermitteln wollen“, sagen „Görda“ über ihre Musik. (Foto: Line Tsoj Fotografie)

Die beiden Coaches David Pfeffer und Felix Mannherz sehen das sicherlich ähnlich. In ihrem Fazit zum diesjährigen Bundesfinale attestieren sie allen Teilnehmer:innen ein sehr hohes Niveau. David Pfeffer hat über die vergangenen Jahre gar eine „Steigerung im musikalischen Sinne“ feststellen können. So hätten die Variationen der Musikstile zugenommen. In dieser Saison reichen sie von HipHop bis Garage Rock. „Und auch dazwischen ist alles dabei.“ Felix Mannherz stellt ebenfalls das „bemerkenswert breite Feld“ an Teilnehmer:innen heraus. Das sei in der Vergangenheit auch schon anders gewesen. Diesmal, so der Schlagzeuger, seien besonders viele, extrem gute Musiker:innen dabei gewesen. Basisarbeit sei bei diesem Jahrgang definitiv nicht mehr nötig, freut sich der Profi.

Für die beiden jungen Frauen von „Görda“ steht unterdessen fest: „Wir haben unglaublich von der Energie im Schloss Hundisburg profitieren können. So viele Menschen an einem Ort, die ähnlich ticken und die eigenen Projekte ernst nehmen und vorantreiben wollen, geben unglaublich viel Kraft.“ Die beiden schätzen sich sehr glücklich, dass sie „konstruktives und ehrliches Feedback“ erhalten haben. Jetzt, davon sind sie überzeugt, können sie ihre „Baustellen“ besser benennen. „Wir haben einen konkreteren Fahrplan, uns mehr in die Richtung zu entwickeln, die wir anstreben. Es ist nämlich unabhängig von solchen Coachings gar nicht so leicht, sich einmal ernsthaft mit seiner Außenwirkung zu beschäftigen, ohne voreingenommen zu sein.“

Annelie Weißel wurde mit dem Titel „Beste Instrumental-Performance“ ausgezeichnet. (Foto: Line Tsoj Fotografie)

Am 11. Dezember war Bundesfinal-Tag

Was das Duo bei local heroes erlebt hat, erfuhren ihre Fans im Rahmen der Ausstrahlung der Bundesfinal-Doku am 11. Dezember in der KulturLounge in ihrer Wahlheimat Leipzig. Die Sieger:innen wurden im Anschluss an die Ausstrahlung nicht nur medienwirksam verkündet, sie erwarteten zudem Preise in Höhe von rund 10.000 Euro. Daneben wird der „Beste Newcomer-Act Deutschlands 2022“, „herr ulrich“ aus Sachsen-Anhalt unter dem Titel „Pop im Bauhaus“ am 3. März 2023 ein Preisträgerkonzert im Rahmen des renommierten Kurt Weill Festes 2023 absolvieren. Alle, die nicht bei der Bundesfinal-Ausstrahlung in den Musik-Einrichtungen dabei sein konnten, haben aktuell die Möglichkeit, die Show auf YouTube und auf mehreren Offenen Kanälen im deutschen Fernsehen anzusehen.

Und wie geht es für „Görda“ weiter? „Von dem, was wir jetzt schon erlebt haben, profitieren wir total“, sagen die beiden. Und das scheint sie immens zu motivieren. Gerade sind sie dabei, ihr erstes Album zu produzieren und suchen dafür eine/n geeignete/n Producer:in. „Nächsten Sommer wollen wir eine längere Tour durch Deutschland machen, die wir momentan planen. Außerdem wollen wir weiterhin offen für neue Projekte und Kooperationen bleiben. Seit wir wieder zusammen in einer Stadt wohnen, ist viel passiert und diese intensive Zusammenarbeit wollen wir weiterverfolgen. Es werden weitere Stunden um Stunden im Proberaum anstehen, um an unseren Ideen zu feilen.“

Was es dazu – abgesehen von gleichen musikalischen Vorstellungen – braucht, das wissen sie genau. „Um als Band bestehen zu bleiben, braucht man Musiker:innen, die vor allem gewillt sind, viel Zeit und Energie zu investieren.“ Eine gewisse „Wachheit“, das Interesse dafür, was um einen herum passiere, könne zudem nicht schaden. Wie verändert sich die Gesellschaft und die Musik? Will man darauf eingehen, will man dagegenhalten? Welche Entwicklungen nehme man mit, an welchen Idealen halte man fest? Ein Quäntchen Glück, den „Zeitgeist” zu treffen, gehört natürlich dazu. „Und dann vor allem durchhalten. Immer weitermachen. Ausprobieren.“ Ein Appell, den sie auch ganz jungen Musiker:innen mit auf den Weg geben möchten. Sie sollten Zeit zum Experimentieren finden, sich Ausprobieren, Rumdaddeln und Schnapsideen umsetzen dürfen. „Dann entstehen die besten Ideen.“

Text: Nicole Oppelt/Lina Burghausen

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Die diesjährige Jury besteht aus:
Max Buskohl (Sänger, Songwriter)
Jenniffer Kae (Sängerin, Songwriterin)
Pablo Christlein (Musiker, Musikphysiologe)

Die Coachings wurden durchgeführt von:
David Pfeffer (Sänger, Songwriter)
Felix Mannherz (Schlagzeuger, Gitarrist, Sänger) 

Die Bundesfinalisten 2022 im Überblick:
The Astronaut & The Fox (BADEN-WÜRTTEMBERG – Indie-Rock)
Zeremony (BAYERN – Vintage Rock)
Carnivalesque (BERLIN – Alternative Rock)
Haute Cuisine (BRANDENBURG – Akustik Pop)
Tenski (BREMEN – Deutschsprachige Popmusik)
Million Fellas (MECKLENBURG-VORPOMMERN – Alternative Indie Rock)
Joanne by the Chapel (NIEDERSACHSEN – Folk/Pop)
GÖRDA (SACHSEN – Alternative/Loop/Pop)
herr ulrich (SACHSEN-ANHALT – Rap/Indie/Electronica)
Protovibe (SCHLESWIG-HOLSTEIN – Trancecore)
Former Child (THÜRINGEN – Indie-Pop) 
Die Teilnehmer:innen des Bundesfinales 2022 haben sich in verschiedenen Landesausscheiden bzw. über Nominierungen qualifiziert und traten als Newcomer-Act für ihr Bundesland an.

Über local heroes:
Das Projekt local heroes wird gefördert durch die Fonds Soziokultur e.V., das Land Sachsen-Anhalt, Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt, die Landeshauptstadt Magdeburg, die Stiftung Kloster Unser Lieben Frauen, den Altmarkkreis Salzwedel und die Hansestadt Salzwedel. Es wird finanziell unterstützt durch die Sparkasse Altmark West sowie den Ostdeutschen Sparkassenverband und Avacon.

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