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local heroes Bundesfinale 2022: „Former Child“ aus Thüringen überzeugte live und in Musik-Doku

„Former Child“ gehört schon jetzt zu Deutschlands vielversprechendsten Newcomer-Acts. Am 11. Dezember war die junge Musikerin aus Jena Teil der bundesweit ausgestrahlten Bundesfinal-Doku.

Solo oder künftig mit Band? „Es bleibt spannend bei mir“, so „Former Child“ augenzwinkernd. (Foto: Line Tsoj Fotografie)

„Former Child“ geht 2022 als Bundesfinalistin für Thüringen ins Rennen um Deutschlands größten Non Profit-Newcomer-Musikpreis. Die Umsetzung des local heroes-Bundesfinales 2022 knüpfte an das erfolgreiche Konzept der vergangenen zwei Jahre an. Statt des gewohnten Live-Events im Kulturhaus Salzwedel (Sachsen-Anhalt), wurde mit den Bundesfinalist:innen Anfang September eine aufwendige Bundesfinal-Doku auf Schloss Hundisburg bei Magdeburg produziert. Diese wurde am 11. Dezember in Musikclubs, soziokulturellen Zentren und weiteren Einrichtungen der Kulturszene in den Heimatstädten der Finalist:innen ausgestrahlt.

Local heroes erfindet sich immer wieder neu! Bereits in den vergangenen zwei Jahren hat Deutschlands größter Non Profit-Newcomer-Musikpreis aus der „Not“ eine Tugend gemacht und die Pandemie zum Vorteil der deutschen Newcomer:innen genutzt. Entstanden sind in dieser Zeit hochwertige Musikfilme, die deutschlandweit in Kinos, im Fernsehen und online zu sehen waren. 2022 geht das Team um Projektleiterin Julia Wartmann noch einen Schritt weiter. Auf Schloss Hundisburg bei Magdeburg kamen über mehrere Tage die elf besten Newcomer:innen Deutschlands zusammen. Neben den Dreharbeiten und Coachings traten alle Finalist:innen erstmals wieder live vor local heroes-Publikum auf. Gelebt wurde in dieser Zeit nicht nur der Netzwerk-Gedanke des Vereins Aktion Musik / local heroes e.V. Entstanden ist auch eine einzigartige Musik-Doku, die die Finalist:innen in verschiedenen Facetten präsentiert.

„Wenn ich live spiele, möchte ich gerne einen atmosphärischen und multiinstrumentalen Sound erzeugen, da ich gerne vom reinen Singer-Songwriter-Dasein wegkommen möchte“, sagt „Former Child“. (Foto: Line Tsoj Fotografie)

„Former Child“ – eine echte Allrounderin

Mit dabei war auch „Former Child“ alias Luise Wonneberger, die entspannten Indie-Pop mit nach Schloss Hundisburg brachte. Aus gutem Grund, wie sie selbst sagt: „Local heroes ist eine fantastische Organisation, bei der Newcomer:innen wirklich wertgeschätzt werden. Die Liebe fürs Detail, die Professionalität sowie die Vielfalt an Unterstützungsmöglichkeiten und Workshops sind unglaublich.“ Es sei faszinierend, wie viele Menschen hier, größtenteils sogar ehrenamtlich, ihr Herzblut hineinstecken würden, um Newcomer:innen zu fördern.

Doch wer ist „Former Child“? Ihre ersten musikalischen Schritte mit diesem Projekt ist die junge Frau bereits 2018 gegangen. Sie probierte sich aus, nahm auf und lud erste Songs auf die Internetplattform Soundcloud. Am 1. Mai dieses Jahres wagte sie sich dann erstmals bei einer Open Stage in München auf die Bühne. „Gefühlt besteht das gesamte Musikprojekt aus vielen verschiedenen größeren und kleineren Herausforderungen, die es zu meistern gibt“, gesteht sie. Die persönlich größte sei für sie jedoch, mit den eigenen Selbstzweifeln umzugehen. So hinterfrage sie, ob das, was sie produziert, spielt und macht überhaupt gut genug sei und ob sie damit wirklich andere Leute begeistern könne. Doch Luise kann stolz auf sich sein. Sie meistert ihr Projekt – nicht nur musikalisch. Mittlerweile sei sie eine „wahre Allrounderin“ geworden, kenne sich auch in so nüchternen Dingen wie Steuern und Rechnungen bestens aus und genieße die Zeit auf der Bühne.

„Die Art und Weise, wie Former Child Songs schreibt, ist sehr gelungen. Es sind wirklich gute Melodien und gute Textideen. Ich finde es außerdem echt mutig, sich allein auf die Bühne zu stellen und parallel Instrumente zu spielen, zu loopen und zu singen“, lobt Jurorin Jenniffer Kae. (Foto: Line Tsoj Fotografie)

Und auch beim Publikum ist die Tausendsassa beliebt – immerhin kommt „Former Child“ mit einer besonderen Mischung aus elektronischen Sounds, wie Synthies oder Drums, kombiniert mit akustischen Elementen wie Gitarre oder Shaker und mehrstimmigen Vocals daher. „Ich mag es, wenn meine Songs einen guten Flow und eingängige Refrains haben“, sagt sie und gibt das als Kompliment auch gleich an die anderen local heroes-Teilnehmer:innen weiter. „Jede Band hier im Finale hat ihren ganz eigenen Stil und Charme, das hat mich besonders bei den Live-Sessions beeindruckt.“ Sie selbst möchte vor allem, dass ihre Songtexte „eine gute Balance finden zwischen schönen Metaphern und Bildern als auch einer guten Verständlichkeit“. Die Menschen sollen sich gut mit ihrer Musik und den Texten verbunden und verstanden fühlen können. „Ich reflektiere in meinen Songs gerne Probleme, Erkenntnisse, Emotionen und Gefühle, die mich durch den Alltag begleiten. Da ich generell ein Mensch bin, der gerne bzw. leider zu viel über Dinge nachdenkt, habe ich durchs Songwriting immer eine gute Möglichkeit, meine Gedanken strukturiert in Songs zu verpacken und kann so auf meine eigene Art und Weise bestimmte Ereignisse und Lebensabschnitte quasi ‚konservieren‘ und besser verarbeiten.“ Dabei versuche sie in ihren Songs immer, eine gewisse Art an Optimismus auszustrahlen.

Teilnehmer:innen-Feld auf sehr hohem Niveau

Doch zurück zum Bundesfinale. Aufnahmen, Live-Sessions, Interviews, Fotoshootings – für „Former Child“ war das nicht in Gänze Neuland. „Dank“ Corona hatte sie bereits erste Erfahrungen mit Videoaufnahmen ihrer Liveperformance machen dürfen. „Es ist für mich damals sehr ungewohnt gewesen, vor quasi keinem Publikum zu spielen. Da bei dem Videodreh bei local heroes jedoch so viele Leute von der Crew als auch die Jury da war, hat es sich beim Bundesfinale zum Glück nicht so angefühlt, als würde man ins große Nichts spielen. Das war sehr angenehm.“ Für diesen Videodreh, so verrät sie, habe sie sich nochmal „extra intensiv“ vorbereitet. „Wie oft bekommt man schon die Möglichkeit, in so einem professionellen Setting eine Live-Performance zu drehen?“

Das dürfte auch den beiden Coaches David Pfeffer und Felix Mannherz aufgefallen sein. In ihrem Fazit zum diesjährigen Bundesfinale attestieren sie allen Teilnehmer:innen ein sehr hohes Niveau. David Pfeffer hat über die vergangenen Jahre gar eine „Steigerung im musikalischen Sinne“ feststellen können. So hätten die Variationen der Musikstile zugenommen. In dieser Saison reichen sie von HipHop bis Garage Rock. „Und auch dazwischen ist alles dabei.“ Felix Mannherz stellt ebenfalls das „bemerkenswert breite Feld“ an Teilnehmer:innen heraus. Das sei in der Vergangenheit auch schon anders gewesen. Diesmal, so der Schlagzeuger, seien besonders viele, extrem gute Musiker:innen dabei gewesen. Basisarbeit sei bei diesem Jahrgang definitiv nicht mehr nötig, freut sich der Profi.

Musiker:innen und Publikum sollen sich verbunden fühlen

Nicht nur musikalisch sind ihre Ratschläge auf fruchtbaren Boden gefallen. Das beweist „Former Child“, die sich wohl bewusst ist, dass hervorragende Musik nicht alles in dieser Branche ist. „Wichtig ist definitiv die Social Media-Präsenz, besonders auch TikTok“, sagt sie, räumt aber gleichzeitig ein, dass in ihrem Fall noch viel Luft nach oben sei. Darüber hinaus braucht es aber vor allem menschliche Qualitäten. „Man braucht einfach ein gutes Durchhaltevermögen, da der Weg zum Erfolg nicht immer einfach ist und es öfter mal Tiefschläge gibt, die man einfach akzeptieren und überwinden muss. Ansonsten ist es, glaube ich, einfach wichtig, dass man authentisch ist und sich die Zuhörer:innen und Fans mit der Musik auf irgendeine Art verbunden fühlen.“ Und das alles sei oft leichter gesagt als getan.

Allerdings liege so manches nicht in der Hand der Newcomer:innen. „Die größte Hürde ist meiner Meinung nach, dass es generell sehr viele talentierte Musiker:innen gibt, die versuchen, bekannt zu werden. Dadurch wird es natürlich immer schwerer, aus der Masse herauszustechen.“ Auch die gesamte Coronasituation mache Livekonzerte und deren Durchführbarkeit, besonders in den Wintermonaten, schlecht kalkulierbar. „Ich persönlich habe das Gefühl, dass die Politik auf das generelle Problem des überfüllten Marktes eher wenig Einfluss nehmen kann. Jedoch fände ich leicht zugängliche Stipendien auf jeden Fall sinnvoll, um Newcomer:innen finanziell etwas entlasten zu können, da mit dem Musikerdasein viele Kosten auf einen zukommen, sei es für Musikequipment, Aufnahmen im Studio oder auch das Spielen einer Tour.“

„Es war alles immer spitzenmäßig organisiert und es wurde an alles Mögliche gedacht. Das ist nicht selbstverständlich und dafür bin ich sehr dankbar!“, so Luises Fazit nach dem Bundesfinale. (Foto: Line Tsoj Fotografie)

Wird „Former Child“ vielleicht zur Band?

Das Fazit „Former Child“ nach dem local heroes Bundesfinale fällt jedoch erbaulich aus. Sie habe immens vom Angebot sowohl während des gesamten Teilnahmeprozesses als auch auf Schloss Hundisburg profitiert. „Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir die verschiedensten Gespräche mit der Jury als auch mit den anderen Finalist:innen. Ich finde es immer sehr inspirierend, mich mit anderen Musiker:innen austauschen zu können und dabei die ein oder andere Sache zu lernen oder auch selbst weitergeben zu können.“ Durch das Coaching sei ihr außerdem nochmals bewusst geworden, was sie an ihrem Loop-Setup optimieren könnte und sollte. „Das ist eine etwas größere Aufgabe, derer ich mich zeitnah annehmen möchte.“ Unter anderem gehe es für sie dann auch um die Frage, ab welchem Punkt vielleicht doch eine Band Sinn machen könnte.

„Former Child“ bei den Aufnahmen ihrer Live-Performance. (Foto: Line Tsoj Fotografie)

Am 11. Dezember war Bundesfinal-Tag

Was die junge Frau bei local heroes erlebt hat, erfuhren ihre Fans im Rahmen der Ausstrahlung der Bundesfinal-Doku am 11. Dezember. Die Sieger:innen wurden im Anschluss an die Ausstrahlung nicht nur medienwirksam verkündet, sie erwarteten zudem Preise in Höhe von rund 10.000 Euro. Daneben wird der „Beste Newcomer-Act Deutschlands 2022“, „herr ulrich“ aus Sachsen-Anhalt unter dem Titel „Pop im Bauhaus“ am 3. März 2023 ein Preisträgerkonzert im Rahmen des renommierten Kurt Weill Festes 2023 absolvieren. Alle, die nicht bei der Bundesfinal-Ausstrahlung in den Musik-Einrichtungen dabei sein konnten, haben aktuell die Möglichkeit, die Show auf YouTube und auf mehreren Offenen Kanälen im deutschen Fernsehen anzusehen.

Und wie geht es für „Former Child“ weiter? „Ich hoffe natürlich sehr, dass ich auch in Zukunft mit den anderen Finalist:innen in Kontakt bleibe und vielleicht sogar die ein oder andere Kollaboration entsteht.“ Darüber hinaus freue sie sich darauf, bei weiteren Workshops von local heroes teilnehmen zu können, den ein oder anderen wertvollen Ratschlag zu erhalten und auch durch die Promotion des Bundesfinales mehr Reichweite mit ihrer Musik zu generieren. „Dieses Jahr wird auf jeden Fall noch meine EP erscheinen, darauf freue ich mich schon sehr. Passend zur EP möchte ich auch mein erstes eigenes Merch rausbringen, was schon sehr lange ein kleiner Traum von mir ist. Live möchte ich es erstmal etwas ruhiger angehen lassen, da ich mich gerne aufs Songwriting, besonders gemeinsam mit anderen Musikern fokussieren will.“

Text: Nicole Oppelt/Lina Burghausen

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Die diesjährige Jury besteht aus:
Max Buskohl (Sänger, Songwriter)
Jenniffer Kae (Sängerin, Songwriterin)
Pablo Christlein (Musiker, Musikphysiologe)

Die Coachings wurden durchgeführt von:
David Pfeffer (Sänger, Songwriter)
Felix Mannherz (Schlagzeuger, Gitarrist, Sänger) 

Die Bundesfinalisten 2022 im Überblick:
The Astronaut & The Fox (BADEN-WÜRTTEMBERG – Indie-Rock)
Zeremony (BAYERN – Vintage Rock)
Carnivalesque (BERLIN – Alternative Rock)
Haute Cuisine (BRANDENBURG – Akustik Pop)
Tenski (BREMEN – Deutschsprachige Popmusik)
Million Fellas (MECKLENBURG-VORPOMMERN – Alternative Indie Rock)
Joanne by the Chapel (NIEDERSACHSEN – Folk/Pop)
GÖRDA (SACHSEN – Alternative/Loop/Pop)
herr ulrich (SACHSEN-ANHALT – Rap/Indie/Electronica)
Protovibe (SCHLESWIG-HOLSTEIN – Trancecore)
Former Child (THÜRINGEN – Indie-Pop) 
Die Teilnehmer:innen des Bundesfinales 2022 haben sich in verschiedenen Landesausscheiden bzw. über Nominierungen qualifiziert und traten als Newcomer-Act für ihr Bundesland an.

Über local heroes:
Das Projekt local heroes wird gefördert durch die Fonds Soziokultur e.V., das Land Sachsen-Anhalt, Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt, die Landeshauptstadt Magdeburg, die Stiftung Kloster Unser Lieben Frauen, den Altmarkkreis Salzwedel und die Hansestadt Salzwedel. Es wird finanziell unterstützt durch die Sparkasse Altmark West sowie den Ostdeutschen Sparkassenverband und Avacon.

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