Ein krönender Festival-Abschluss: Die Lutzi persönlich feierte mit „Madsen“ auf der Hauptbühne. (Foto: David Lehmann)
Vom 22. bis 24. Juni stand Rottershausen ganz im Zeichen des fröhlichen Miteinanders. Den mehr als 11.500 Besucher:innen wurden nicht nur vielfältige Künstler:innen, sondern auch ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm geboten. Besonders wichtig ist den Organisator:innen ein friedliches und respektvolles Miteinander. Aktuell werden die Besucher:innen hierzu befragt.
Schon ein erster Blick in das kleine „Lutzi“-Booklet verriet: Dieses Wochenende wird anders. Dieses Wochenende wird besonders. Große Acts wie „Madsen“ tummelten sich neben Newcomer:innen wie Elena Rud. Paradiesvögel wie Roy Bianco & die Abbrunzati Boys begeisterten ebenso wie eine ausgewählte Schar versierter Freestyle-Battler. Dazu gesellten sich allerhand Möglichkeiten, das Festival-Erlebnis zu bereichern. Wer mochte, konnte seinen persönlichen Kalender mit Stopps bei diversen „Secret Gigs“, einer Schnitzeljagd und sogar Weinproben füllen. Andere bevorzugten auch bei teils hochsommerlichen Temperaturen den Gang in die Sauna, zum Bier-Yoga oder tummelten sich auf dem neu angelegten Marktplatz vor dem Haupteingang.
Mit Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys kam das Dolce-Vita-Feeling direkt nach Rottershausen. (Foto: Music-Event-Reports)
Daher ein Fazit vorweg: 14 Jahre wurde das „ab geht die Lutzi“ in diesem Sommer alt. Doch der „Pubertät“ ist dieses kleine, aber außergewöhnliche Festival längst entwachsen. Das völlig ehrenamtlich gestemmte Event kann sich mittlerweile mit den Großen der Branche messen. Damit beweist es einmal mehr: Herzblut versetzt Berge!
Der „Lutzi“-Campingplatz ist ein echtes Erlebnis. Ausgelassene Stimmung, kreative Kostüme und jede Menge Festival-Gemeinschaft prägten das Wochenende. (Foto: Janis Hinz Fotografie)
Friedliches und entspanntes Feiern
Wie viel Zuspruch das „ab geht die Lutzi“ heute hat, zeigte sich bereits ab Donnerstagmittag, als unzählige Menschen in Richtung Zeltplatz strömten. Bunte Kostüme, kreativ gestaltete Camping-Areale, lautstarke Gesänge und Lachen in allen Ecken beherrschten das Bild. Manch ein Gast hatte einen weiten Weg, zum Beispiel aus Hamburg, auf sich genommen, um das zu erleben, was die „Lutzi“ seit jeher auszeichnet: Friedliches gemeinsames Feiern in fast schon familiärer Atmosphäre. „Es ist ein entspanntes Wiedersehen“, sagt etwa Claudia aus dem nicht weit entfernten Schweinfurt. Sie und ihre Mitreisenden planen das Festival Jahr für Jahr fest in ihrem Kalender ein und freuen sich jedes Mal aufs Neue, bekannte Gesichter auf dem Gelände zu treffen. Besonders entgegen fieberte die junge Frau der Band „Raum27“, die bereits am frühen Donnerstagabend auf der Hauptbühne zu erleben war. Damit war sie offensichtlich nicht allein. Denn auch die beiden Künstler Tristan und Mathis attestierten dem Publikum: „Wir haben lange nicht mehr so eine krasse Energie in einer Crowd gesehen!“ Für einen raketenartigen Start ins Festival-Wochenende sorgten anschließend auch „Le Fly“, die folgerichtig einen Ausschnitt aus dem Whitney Houston-Hit „I will always love you“ anstimmten. Ein Umstand, dem sich wohl auch der Wettergott beugen musste, denn selbst eine kurzzeitige Programmunterbrechung tat der Stimmung keinen Abbruch, sodass vorausgesagte Unwetter kurzerhand am Festivalgelände vorbeizogen.
„Zu alt für Musik“ – die von Raum27 schon am Donnerstag eingeworfene „Provokation“ bewahrheitete sich während des gesamten Festivals nicht. Hier feiert jeder seine Lieblingsmusik. (Foto: Dani Red)
Warm Up mit „Le Fly“! Bei ihrem Auftritt hielt es kaum jemanden auf der Stelle. Tanzen und Mitsingen bis zum Abwinken stand auf dem Programm. (Foto: Dani Red)
Freestyle Battle hebt Zeltbühne aus den Angeln
Die bei den Festival-Besucher:innen angestaute Energie schien sich jedoch „entladen“ zu wollen. Und das tat sie spätestens am Samstagnachmittag. Seit Jahren gehört das so genannte Freestyle Battle zu den Höhepunkten des „ab geht die Lutzi“. Diesmal fand der „Kampf der Wortakrobaten“ unter der Moderation des bekannten „Bambägga“-Frontmanns Jonas Ochs statt. Der 38-jährige Sozialpädagoge verstand es aufs Beste, die Menge in einen geradezu frenetischen Zustand zu versetzen. „Ich bin noch immer komplett euphorisiert und voller Adrenalin“, gesteht er auch am Tag nach dem großen Zeltbühnen-„Abriss“. Dem mag sich wohl jeder vor und hinter den Kulissen anschließend. Denn der Nachmittag stand vollends unter dem Zeichen „Respect for every Artist“ stand. Hier war jeder ein Gewinner.
„Respect for every Artist“: Das diesjährige Freestyle Battle zeigte eindrucksvoll, wie viel Wertschätzung bei Künstler:innen und Publikum vorhanden ist. (Foto: David Lehmann)
Respektvoller Umgang hat oberste Priorität
Damit war das Freestyle Battle jedoch keine Ausnahme. Denn Festival-Chef Christian Stahl und seine Crew setzen mit ihrer Philosophie ein Zeichen in der Region. Dem Festival zugrunde liegt unter anderem ein eigenes Awareness-Konzept. Aus gutem Grund: „Auf dem Lutzi-Festival treffen viele Menschen mit unterschiedlichen persönlichen Grenzen und Backgrounds aufeinander“, erklärt Christian Stahl. „Vorstellungen davon, wo bestimmte Grenzen im Umgang miteinander liegen oder liegen sollten, können stark abweichen.“ Dem „ab geht die Lutzi“ gehe es deshalb darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen und einen transparenten wie respektvollen Umgang miteinander und füreinander zu ermöglichen.
Alte und neue Freund:innen treffen – gemeinsam eine wunderbare Zeit haben: Dafür steht die „Lutzi“ seit ihren Anfangstagen. (Foto: Music-Event-Reports)
Awareness, so erklärt er weiter, sei ein Konzept, das sich gegen jede Form von Grenzverletzung, Gewalt und Diskriminierung durch sexistische, rassistische, ableistische, homo- oder transphobe sowie jegliche Art menschenverachtender Handlungen und Haltungen stelle. „Das wird nicht toleriert und stattdessen dagegengehandelt beziehungsweise Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt.“ Für das „Lutzi“-Team ist das eine Herzensangelegenheit. Denn eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, auf seine Mitmenschen zu achten und ihre Grenzen zu respektieren und einzuhalten, wo auch immer diese liegen mögen. „Diskriminierung funktioniert auch ohne böse Absicht“, betont Christian Stahl.
Endlich war es soweit: Bereits 2022 war die Vorfreude auf Grossstadtgeflüster riesig. In diesem Sommer kam nichts dazwischen. Die Band „belohnte“ das Publikum mit einer grandiosen Show. (Foto: Music-Event-Reports)
Niemand wird allein gelassen
Die Aufgabe der „Lutzi“-Awareness-Teams besteht darin, betroffenen Personen zur Seite zu stehen und diesen einen sicheren Ort zur Verfügung zu stellen. „Der betroffenen Person wird zugehört und die Probleme werden besprochen, insofern sich die Person damit wohlfühlt“, erklärt Christian Stahl. In keinem Fall würden Probleme angezweifelt, da die Definition der Grenzverletzung immer im Ermessen der Person liege.
Doch wie sich bemerkbar machen? Mit der Frage „Ist Luisa hier?“ oder „Wo geht’s nach Panama?“ können sich Betroffene an alle „Lutzi“-Helfer auf dem Festivalgelände wenden. „Die Fragen fungieren als Code, um bei Belästigung, Bedrohung oder Angst vor Übergriffen ohne weitere Erklärung sofort Hilfe zu erhalten“, erklärt hierzu Stahls Kollege Klaus Schmitt. Sollte das der Fall sein, gelte es die Person sofort in Obhut zu nehmen und umgehend das Awareness-Team zu verständigen. Während der gesamten Zeit werde die Person nicht allein gelassen.
Auch jenseits der Bühnen stand die „Lutzi“ im Zeichen der Gemeinschaft. Ein guter Treffpunkt: Der Shisha-Wald im hinteren Teil des Geländes. (Foto: David Lehmann)
Online-Umfrage soll „Lutzi“ noch besser machen
Dass sich diese Philosophie des respektvollen Miteinanders herumgesprochen zu haben scheint, zeigte sich während des gesamten Festival-Verlaufs. In der Menge feiernde Menschen mit Behinderung wurde mit besonderer Achtsamkeit begegnet. Allenthalben waren Gesten der Höflichkeit zu beobachten. Dennoch wurden Wünsche laut, etwa von einer Besucherin, die meint: „Das Awareness-Team sollte insgesamt sichtbarer auf dem Gelände sein. Ich würde mich in einer bestimmten Situation wahrscheinlich nicht trauen, einen der vielbeschäftigten Helfer:innen einfach anzusprechen.“ Christian Stahl und Klaus Schmitt nehmen diese Anregung gerne mit. Überhaupt sind sie, wie das gesamte Festival-Team, offen für konstruktive Vorschläge, aber natürlich auch Kritik. Denn nur gemeinsam kann so eine noch bessere „Lutzi“ entstehen. Seit Kurzem läuft hierzu auch eine Online-Umfrage. Diese soll dem Team weitere Erkenntnisse und Impulse für die kommende Ausgabe liefern.
Ihr Fazit der diesjährigen Veranstaltung fällt dennoch eindeutig aus: „Das waren drei richtig knackige Tage. Jeder einzelne hat sich gelohnt!“ Mainact „Madsen“ lieferten überdies den passenden Soundtrack dazu, wenn sie singen: „Lass die Musik an!“.
Diese „Lutzi“ war definitiv einen Konfettiregen wert! „Madsen“ lieferten 2023 die passenden Schlussakkorde. (Foto: Music Event Reports)
Auf ein Neues vom 27. bis 29. Juni 2024!
Text: Nicole Oppelt
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