Direkt zum Hauptbereich

Kulturelle Teilhabe für alle!

Das „ab geht die Lutzi“ hat sich für die kommenden Jahre die Themen „Barrierefreiheit & Inklusion“ groß auf die Fahnen geschrieben.

(Foto: Lukas Veth)

Seit dem ersten Tag versteht sich das „ab geht die Lutzi“ in Rottershausen als Veranstaltung für alle. Jung und Alt kommen zusammen und haben eine gute Zeit. Niemand wird ausgegrenzt. Alle sind willkommen. Um das nachhaltig zu gewährleisten, hat sich das Team des „ab geht die Lutzi“ nun mit Experten zusammengetan. Das langfristige Ziel: Das Festival will sich auch für Menschen mit Behinderung bestmöglich aufstellen. Die ersten Maßnahmen werden bereits 2022 umgesetzt.

Der Sommer 2022 ist für viele ein „Neubeginn“. Für Rottershausen im Speziellen steht nach zweijähriger Pause endlich wieder eine Großveranstaltung auf dem Programm. Vom 23. bis 25. Juni findet hier das „ab geht die Lutzi“ statt. Fans des Festivals fiebern diesem Datum seit langem entgegen, ebenso die teilnehmenden Künstler:innen. Hinter den Kulissen wurde die Zeit derweil gut genutzt.

Barrierefreiheit ist nicht alles

„Der HÖME Festival Playground gab für uns den Anstoß, uns künftig intensiv mit den Themen Inklusion und Barrierefreiheit auseinanderzusetzen“, sagt Festival-Chef Christian Stahl. Hinter dem Festival Playground verbirgt sich ein Zusammenschluss von über 80 Festivals, die an einer nachhaltigen und innovativen Festivalzukunft arbeiten möchten. Die Erkenntnis der Expert:innen: „Inklusion wird auf immer mehr Festivals mitgedacht. Doch häufig geht es dabei lediglich um barrierearme Geländeplanung.“ Das greife zu kurz.

„Nach wie vor suchen wir Testpersonen, die sich zutrauen 2022 dabei zu sein und Schwachstellen aufdecken“, lädt das Lutzi-Team dazu ein, sich aktiv zu beteiligen. (Foto: Klaus Schmitt)

Seit Mitte Januar 2022 arbeiten die „Lutzi“-Verantwortlichen daher konkret daran, das Festival umzugestalten. „Das Ganze ist ein langfristiger (Lern-)Prozess. Wir hatten zu Beginn keinerlei Erfahrungswerte. Es bestand jedoch der dringende Wunsch, kulturelle Teilhabe für alle zu ermöglichen“, so Stahl, der das Ganze mit Klaus Schmitt und Martin Werner hauptverantwortlich koordiniert. „Schließlich geht es darum, Menschenrechte umzusetzen.“ Doch wo fängt man an? Hygiene? Befestigung? Kommunikation? Ein riesiger Berg an Aspekten, der zu bewältigen ist. Das Team holte sich Hilfe – mit Erfolg: In Zusammenarbeit mit dem Landkreis Bad Kissingen, vertreten durch die Projektmanager Antje Rink und Felix Gantner vom Regionalmanagement des Landkreises Bad Kissingen, dem Bezirk Unterfranken, vertreten durch den Popularmusikbeauftragten Benjamin Haupt und unterstützt durch die Initiative „barrierefrei feiern“, wurde sich in den vergangenen Monaten gemeinsam in das Thema eingearbeitet. Dazu wurde im Februar auch ein gemeinsamer Workshop mit den Expertinnen und Experten der Initiative barrierefrei feiern abgehalten.

Ziel ist ein „normales Miteinander“

Die ersten Erkenntnisse ergaben sich schnell: Ein inklusives Festival bedeutet ein „normales Miteinander“ aller Menschen. Die Bemühungen dürfen sich nicht nur auf eine Zielgruppe – etwa Rollstuhlfahrer – konzentrieren. Es gilt, das „Mindset“ zu verändern und zudem offen bei jenen nachzufragen, die es betrifft. Scheu ist ebenso fehl am Platz wie „übermäßiges Taktgefühl“. Denn: „Die Kompromissbereitschaft bei Betroffenen ist groß“, so die Botschaft der Initiative „barrierefrei feiern“.

Es gibt nichts Schöneres, als gemeinsam zu feiern. Legitimierte Begleitpersonen kommen ab 2022 kostenlos auf die „Lutzi“. (Foto: Yasemin Ikibas)

Die Initiative machte von Anfang an deutlich. Am Ende machen viele, kleine Schritte den Unterschied. Gesagt, getan: Das „ab geht die Lutzi“ befindet sich dieser Tage mitten in „Phase 1“. Das Kennenlernen und der Aufbau eines regionalen Netzwerks sind in vollem Gange. Eine erste Geländebegehung samt Begutachtung kritischer Stellen am Gelände hat bereits stattgefunden. Und auch virtuell wird die Parole der Stunde „Hinkommen, reinkommen, klarkommen“ verfolgt. Der Online-Auftritt soll überarbeitet werden. Geplant ist eine eigene Seite zur Barrierefreiheit und die Anpassung der FAQ. Klar sollen ihm zufolge Telefonnummern und Kontaktadressen kommuniziert werden. Auch eine detaillierte Beschreibung dessen, was die Besucher:innen vor Ort vorfinden, sei in Arbeit. Das Angebot, sich vorab zu melden, um Bedarfe zu klären, verstehe sich ebenfalls von selbst. Insgesamt solle die Homepage des Festivals barrierefreier werden.

Die Perspektive verändern

Und was verändert sich auf dem Festival selbst? „Auf jeden Fall nicht nur die Bodenbeläge“, heißt es aus Rottershausen. Nach wie vor gilt: Begleitpersonen kommen ohne Ticket auf das Festival, wenn eine Person mit entsprechender Kennung im Ausweis mit Ticket dabei ist. Darüber hinaus denkt das Team derzeit über den Einsatz von barrierefreien Shuttlen vom Bahnhof zum Gelände nach, die auf Abruf bereitstehen. Daneben sollen künftig Behindertenparkplätze direkt am Eingang ausgewiesen werden. Menschen mit besonderen Bedürfnissen sollen künftig leichter ins Festivalareal gelangen. Der Eingang wird entsprechend angepasst. Außerdem soll in schwerwiegenden Fällen ein alternativer Einlass (auch auf dem Campingelände) zur Verfügung stehen. Gleiches gilt für barrierefreie Toiletten besonderer Ausstattung. Auch eigene Duschen stehen zur Verfügung. Essens- und Getränkestände ziehen ebenso mit. Die Tresen werden teilweise niedriger gestaltet. Der Zugang zur Zeltbühne wird überarbeitet und die Beschilderung auf dem Gelände erweitert. „Wichtig ist uns zudem, dass das gesamte Team sensibilisiert wird“, heißt es vom Orga-Team aus Rottershausen. Es gehe darum, Situationen zu erkennen, schnell unterstützen zu können und insgesamt angemessen zu reagieren.

Neue Blickwinkel: Das „Lutzi“-Team begeht gemeinsam mit Betroffenen und Kooperationspartnern das Festivalgelände. (Foto: Klaus Schmitt)

Kreative Ideen und Improvisation

„Phase 2“ soll dann in den kommenden Jahren zünden. „Schon im Vorfeld der diesjährigen ‚Lutzi‘ hat sich gezeigt, dass wir das ein oder andere mit kreativen Ideen und etwas Improvisation in der Organisation hinbekommen“, sagt Christian Stahl, der gemeinsam mit seinem Team über den Sommer 2022 hinausdenkt. Mit Spannung blicken sie auf die Erkenntnisse, die sich aus dem diesjährigen Festival ergeben werden. Klar sei aber bereits: „Es gibt einige, grundlegende Punkte, die nicht ohne größere Investitionen zu bewältigen sein werden.“

Text: Nicole Oppelt

Kommentare