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Mut machen, Lärm machen, nach vorne blicken!

Das „ab geht die Lutzi“-Festival unterstützt 2020 trotz ausgefallener Saison die Projekte „Goldeimer“, „Viva con Agua“ und „Kein Bock auf Nazis“.

Auf dem „ab geht die Lutzi“ geht es um mehr als nur Musik. Ausgewählte Organisationen stellen hier ihre Arbeit vor und werden auch von den Festivalfans finanziell unterstützt. (Foto: matthias.k Photography)

Die elfte Ausgabe des „ab geht die Lutzi“-Festivals im vergangenen Juni fiel aufgrund der Corona-Pandemie ins Wasser. Statt die Köpfe in den Sand zu stecken, wurde das Organisationsteam aktiv. Die Verantwortlichen riefen die Fans zur Ticketspende auf, im August feierte man dann gemeinsam mit anderen Veranstaltern ein virtuelles Festival und auch aktuell blickt man zusammen mit den Anhängern voller Vorfreude auf den Sommer 2021. Solidarität wird in Rottershausen eben großgeschrieben. Das können auch jene Projekte „unterschreiben“, die teils seit Jahren vom „ab geht die Lutzi“-Festival unterstützt werden.

Bereits im Sommer wurde bekannt, dass die „Lutzi“-Fans einen großzügigen Beitrag geleistet haben, um ihr Lieblingsfestival in der Heimat zu unterstützen. Nach der Absage für 2020, hatte das „ab geht die Lutzi“-Team dazu aufgerufen, die bereits erworbenen Tickets zu spenden. Zum einen sollten damit non-profit Organisationen, die eigentlich präsent gewesen wären, unterstützt, zum anderen so auch die bisher entstandenen Kosten kompensiert werden. Durch die gespendeten Tickets kamen rund 12.000 Euro für diese Organisationen zusammen. „Das ist ein toller Erfolg, den wir für ‚Viva con Agua‘, ‚Kein Bock auf Nazis‘ und ‚Goldeimer‘ aufteilen und dann weitergeben“, kommentierte Festival-Chef Christian Stahl den Einsatz der „Lutzi“-Fans.

Viva con Agua – es fehlen viele Spenden

Mittlerweile sind die Gelder vergeben worden. Und sie kamen genau richtig. „Viva con Agua“ zum Beispiel setzt die Gelder aus Rottershausen „(…) weiterhin zur Unterstützung unserer WASH-Projekte (Wasser, Sanitär, Hygiene)“ ein, wie das Würzburger Team-Mitglied Daniel Bils erklärt. Ihm zufolge seien diese Themen in Pandemie-Zeiten wichtiger denn je. „Zugang zu Wasser, Klos und Hygienemöglichkeiten – zum Beispiel Händewaschen – unterstützen die Gesundheit von Menschen und spielen in vielen Regionen dieser Welt eine wichtige Rolle in der Corona-Prävention.“ Bei der 2006 gegründeten entwicklungspolitische Non-Profit-Organisation mit Zentralsitz in Hamburg-St. Pauli habe sich der ausfallende Festivalsommer stark bemerkbar gemacht. „Uns fehlen dadurch viele Spenden, die wir sonst in Form von Pfandbechern oder Aktionen auf Festivals gesammelt hätten. Das ist sehr ärgerlich, aber wir stehen ja nicht allein vor dieser Herausforderung“, so Daniel Bils weiter. „Wir versuchen das Beste daraus zu machen, neue Wege zu gehen und uns weiter für sauberes Trinkwasser zu engagieren.“

„Zusammen Spaß zu haben und diesen positiven Vibe dafür zu nutzen, etwas zu bewegen“, lautet die Devise von „Viva con Agua“. Auf dem „ab geht die Lutzi“ erleben das die Besucher hautnah. (Foto: matthias.k Photography)

„Viva con Agua“ realisiert weltweit Trinkwasser-, Sanitär- und Hygieneprojekte. Dafür setzen die NGO auf All-Profit-Aktionen in den Bereichen Kunst, Kultur und Sport, bei denen sie Spenden sammeln darf. „Für uns als Würzburger Crew sind das in aller erster Linie Pfandspenden auf Live-Veranstaltungen wie dem Lutzi Festival, unserem absoluten Jahreshighlight“, sagt Daniel Bils. „Hier sind wir schon mit einem Schlauchboot über die Menge gesurft, während uns die Menschen mit ihren Pfandbechern abgeworfen haben oder wurden in einen wilden Spendenpogo verwickelt.“ Das alles seien Erlebnisse, die irre viel Spaß gemacht hätten – auch weil sie wüssten, dass jeder einzelne Becher dazu beitrage Gutes zu tun.

„Kein Bock auf Nazis“ macht weiter Lärm gegen Rechts

Nicht unterkriegen lassen lautet auch die Devise der Kampagne „Kein Bock auf Nazis“. Die ebenfalls 2006 von der Punkband ZSK gestartete Initiative gegen Neonazismus, Rechte Politik und Rassismus hat eigenen Angaben zufolge „viel vor.“ „2021 steht die Bundestagswahl an und wir wollen kräftig gegen Rechtsruck und die AfD Lärm machen“, berichtet Team-Mitglied Tom Büchner. „Wir wollen 1000 kostenlose ‚Starterkits‘ mit Flyern zur Wahl, Stickern und Plakaten kostenlos raushauen. Zum Beispiel um Wahlstände kritisch zu begleiten.“ Jedes Päckchen werde direkt noch eine Mülltüte mitbekommen, „damit Passant*innen die rassistische Stimmungsmache gedruckt auf Wahlwerbeflyer direkt fachgerecht entsorgen können“. „Wir fangen mit 1000 Stück an und hören auf, wenn der letzte Cent in die Produktion und das Porto verschossen wurde“, erklärt er das Vorhaben, das mit Hilfe der „Lutzi“-Spenden finanziert werden soll.

„Sich gemeinsam gegen den Rechtsruck und die rassistische Hetze stark machen. Starthilfe geben und unterstützen. Das ist unsere Grundidee“, erklärt Tom Büchner. Und die findet auch in Rottershausen riesigen Zuspruch. (Foto: Yasemin Ikibas)

Die Corona-Pandemie habe die Initiative „hart“ getroffen. „Aber da geht es den vielen Kulturschaffenden, Künstler*innen, Musiker*innen, Veranstalter*innen deutlich schlechter“, betont Tom Büchner. Als ehrenamtliches Projekt sei man zwar nicht gänzlich krisensicher, aber in dem Sinne besser aufgestellt. „Was wir aber vor allen Dingen vermissen, sind die vielen Gespräche auf Festivals und Konzerten, auf denen wir normalerweise mit unserem Infostand am Start sind. Tipps geben, Pläne schmieden und Flagge gegen Rassismus, Ausgrenzung und Nazigewalt geben.“ Alle Beteiligten tun dies mit Leidenschaft. „‘Kein Bock auf Nazis‘ ist eine Mutmach-Kampagne, die on- und offline besonders Jugendliche und Heranwachsende, aber auch alle anderen Menschen, die sich gegen Neonazis und Rassismus engagieren wollen, unterstützt, vernetzt und informiert“, umreißt er das Engangement. Zusammen mit Künstler*innen, die die Kampagne unterstützen, würden Infomaterial, DVDs und Musiksampler produziert, die neben Schüler*innenzeitungen und Stickern kostenlos verteilt würden. Jeden Monat verschicke man „unzählige Aufkleber, Broschüren und Poster“. Das Feld reiche von Schüler*innen, über Gruppen, Initiativen, Sportvereinen, Kneipen, Bands. bis zu Einzelpersonen, die in ihrer Gegend aktiv werden wollen. „Wir wollen mit unserer Präsenz im Internet, mit unseren Infozelten und Ständen auf Festivals, auf Tour mit Bands oder auf Straßenfesten allen Menschen Mut machen und zeigen, dass sie nicht alleine sind.“

„Goldeimer“ – mit Trockentoiletten und Klopapier Leben retten

Eng verbunden fühlt sich das „Lutzi“-Team auch der Arbeit des gemeinnützigen Unternehmens „Goldeimer“, das sich für den Zugang zu gesicherter Sanitärversorgung weltweit einsetzt. „4,2 Milliarden Menschen sind noch ohne Klo bzw. ohne sichere Anschlussverwertung“, beschreibt Geschäftsführer Rolf Schwander die prekäre Situation. „Über 300.000 Kinder sterben jährlich an den Folgen von kontaminiertem Trinkwasser und Durchfall. Dabei ließe sich durch Toiletten und Handwaschmöglichkeiten vieles verhindern.“ Hier in Deutschland sei wenigen Menschen die lebensrettende und wichtige Funktion der Toilette bewusst, so Schwander weiter. Genau deshalb gelte es, hierzulande Aufmerksamkeit zu erzeugen.

„Goldeimer“ erzeugt Aufmerksamkeit – auch auf dem „ab geht die Lutzi“: Das Unternehmen betreibt Trockentoiletten auf Festivals, verkauft Klopapier und sorgt in den sozialen Medien für Lärm. (Foto: Maja Bahtijarevic)

Doch klappt das in Anbetracht der komplett ausgefallenen Festival-Saison? Nach Einschätzung von Schwander, ja! „Wir haben das Jahr 2020 erstaunlich gut gemeistert und unser Jahr durch viele Improvisationen gerettet.“ So konnten mit der Produktion von Masken fast 85.000 Euro an den Corona Nothilfefonds der Welthungerhilfe und die WASH-Projekte von Viva con Agua weitergeleitet werden. „Den ausgefallenen Sommer haben wir für die Entwicklung von neuen Formaten und Produkten genutzt. Nichtsdestrotz: Wäre Corona auch nur ein Jahr früher gekommen, hätten wir vermutlich Insolvenz anmelden müssen.“ In Gedanken sei man daher bei den vielen Unternehmen aus der Eventbranche, von Catering, Bühnenbau, Security, Lichttechnik bis hin zu den vielen Künstlern, für die es ein sehr schwieriges Jahr gewesen sei. „Wir hoffen, bald alle wieder zusammen auf den grünen Wiesen des Landes zusammen wunderbare Kulturarbeit machen zu können. Wir für das Klo, der Rest für die Musik.“

Die „Lutzi“-Spende kam für „Goldeimer“ wie gerufen. „Wir haben in diesem Jahr neben den erwähnten Spenden an die Welthungerhilfe und Viva con Agua auch unsere Pionierarbeit in Äthiopien weitergeführt und einige tausend Euro für den Bau von Trockentoiletten in der Hauptstadt Addis Abeba eingesetzt“ umreißt der Geschäftsführer die Aktivitäten der vergangenen Monate. Parallel dazu habe man kürzlich ein Crowdfunding ins Leben gerufen, „um in Deutschland ein antirassistisches Klopapier an den Start zu bringen“. Das Ziel: „Wir wollen 100.000 Packungen verkaufen um 100.000 Euro an Antirassismus- und Empowerment Workshops zu spenden.“

Zusammenarbeit geht weiter

„Für uns vertreten diese drei Organisationen absolute Herzensangelegenheiten, die wir aus voller Überzeugung unterstützen“, so Christian Stahl. „Für uns sind sie und ihre Teams Jahr für Jahr fester Bestandteil des Festivals.“ Das Team wähle solche Projekte sehr sorgfältig aus und mache sich im Vorfeld eingehend ein Bild von den jeweiligen Aktivitäten. Mittlerweile sind die Verbindungen zu „Viva con Agua“, „Kein Bock auf Nazis“ und „Goldeimer“ über Jahre gewachsen, entsprechend gefestigt und das Vertrauen ineinander sehr hoch. Daher wolle das „ab geht die Lutzi“ auch in Zukunft mit ihnen zusammenarbeiten. „Nach bisherigen Stand findet unser nächstes Festival vom 24. bis 26. Juni 2021 statt“, erklärt Stahl. „Dann können sich auch unsere Gäste einen direkten Eindruck vom Engagement dieser drei Organisationen machen und auf ein Neues davon überzeugen, dass ihre Spenden dort gut angelegt sind.“

Text: Nicole Oppelt

Für die Organisationen spenden könnt Ihr hier: 

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