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„Um für das Normalste der Welt einzustehen braucht man keinen Arsch in der Hose!“

Die Kölner Band „Adam Angst“ redet auf dem 10. „ab geht die Lutzi“ in Rottershausen Klartext


Harte Klänge, präzise Worte: „Punk muss jeder für sich selbst definieren", sagen Adam Angst. (Foto: RE ON TOUR)

Wer ist eigentlich Adam Angst? Und wovor hat er Angst? Handelt es sich wirklich nur um eine „Boy-Band mit Tattoos“? Fragen wie diese bekommt die 2014 gegründete deutsche Punk-Rock Band „Adam Angst“ relativ häufig zu hören. Dabei finden sich die Antworten hierauf relativ schnell. Eigentlich…

„Adam Angst“ geht auf das Konto von Frontmann Felix Schönfuss, ehemals Sänger der Punkband „Frau Potz“. Er erfindet „Adam Angst“ für sein neues Projekt. Eine fiktive Gestalt, die stellvertretend für den deutschen Durchschnittsbürger stehen soll. Jemand, der genauso ist wie wir alle: Scheinheilig, überheblich und am Ende auch noch so tut, als wäre er dein bester Freund. Doch ist das schon die ganze Story? Das „ab geht die Lutzi“ in Rottershausen bot Mitte Juni die Gelegenheit, diesen Fragen gemeinsam mit den Gitarristen der Band, David Frings und Roman Hartmann, tiefer auf den Grund zu gehen.

Im dichtbewachsenen Hängematten-Wald des Festivals stehen die beiden Rede und Antwort. Sichtlich entspannt lagen sie noch ein paar Minuten vorher schaukelnd unter grünem Blätterwerk. Jetzt sind sie voll da. „Adam Angst sind fünf Jungs, die Musik zusammen machen. Drei davon sind tätowierte Boy-Band-Typen und die zwei anderen sind nur Beiwerk“, erklären sie schmunzelnd. „Die Kids stehen drauf.“ Doch der Ernst kehrt schnell in ihre Gesichter zurück. „Wir kriegen natürlich mit, was in Deutschland passiert.“ Da gebe es vieles, was sie sprichwörtlich „zum kotzen“ fänden, aber auch Positives, etwa wenn die Menschen auf die Straße gingen. „Wir versuchen mit unserer Musik, in unseren Texten Leute, die nicht so denken, dazu zu bewegen, dass sie das überdenken, was sie tun“, fassen David und Roman die Intention von „Adam Angst“ zusammen.

„So einen Wald, in dem wir hier gerade sitzen, den gibt es auf einem Major Blaster einfach nicht“, schwärmen David und Roman von der besonderen „Lutzi“-Atmosphäre. (Foto: RE ON TOUR)

Ein hehres Ziel, das sich die Musiker gesteckt haben. Doch kann Kunst, kann Musik in der Gesellschaft etwas bewegen, sie verändern oder sie vielleicht sogar gar lenken? Während ihr Blick über das Gelände am Ortsrand von Rottershausen gleitet, scheint für David und Roman die Sache klar: Ja, das kann sie. „Das Geile an solchen Festivals ist, dass nicht nur Leute kommen, die dich kennen, sondern auch viele andere. Natürlich hast du die Möglichkeit, zu Leuten zu sprechen. Und nicht nur hier.“ Das sei eine ganz andere Situation, als wenn man sich einfach in die Fußgängerzone stellen würde. Hier würden 1000 Leute einfach an einem vorbeigehen. Sich in Interviews oder auf der Bühne für gewisse Dinge auszusprechen, das sei „eine Pflichtaufgabe von Künstlern“, ist das Duo überzeugt. Diese Chance, dass ihnen als Künstler die Menschen zuhörten, müssten sie daher auch nutzen – gerade im Falle junger Leute, die vielleicht noch nicht so richtig wüssten, wohin sie gehörten und gerade auch dann, wenn es unangenehm werden könnte. Oft werde ihnen gesagt, sie hätten den sprichwörtlichen „Arsch in der Hose“, um die Dinge anzusprechen. Sie entgegnen dem entschieden: „Um für das Normalste der Welt einzustehen braucht man keinen Arsch in der Hose.“

Direkte Verbindung zu „See-Watch“

Ihren Worten lässt die Band von Anfang an Taten folgen. Zum Beispiel 2015. Damals veröffentlichte „Adam Angst“ die Single „Splitter von Granaten“. Der Erlös wurde zu 100 Prozent an „Pro Asyl“ gespendet. „Damit reihen sich Adam Angst in eine ganze Reihe von Künstlern wie den Donots oder Kmpfsprt ein, die ebenfalls auf die Flüchtlingskrise aufmerksam und auf verschiedenen Wegen Spenden für entsprechende Organisationen gesammelt hatten“, kommentierte das Magazin Visions. Auch auf Tour wiederholen sie ihr Engagement für „Pro Asyl“. Obendrein wird an den Berliner Verein „Sea-Watch“ gespendet. Eine Aktion, die sie im kommenden Herbst wiederholen wollen. Auch „Viva con Aqua“ und „Kein Bock auf Nazis“ seien immer wieder herzlich eingeladen.

Abriss vom Feinsten: Der „Lutzi“ haben „Adam Angst“ ihr aktuelles Album „Neintology" mitgebracht. (Foto: RE ON TOUR)

„Uns ist es wichtig, dass wir wissen, dass das, was gespendet wird, auch ankommt. Die Überweisungen tätigen wir selbst“, erklären sie die Wahl der Organisationen und das Vorgehen der Band. „Bei Sea-Watch bekomme ich das in besonderem Maße mit“, ergänzt Roman. Die Bonnerin Pia Klemp, die spätestens durch ihren Auftritt bei „Joko & Klaas“ einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden ist, sei eine ehemalige Arbeitskollegin von ihm. Acht Jahre hätten sie gemeinsam hinter der Theke gestanden. Die 35-Jährige steuerte das Flaggschiff Sea-Watch 3 Anfang November 2017 zur ersten Rettungsmission vor die libysche Küste. Nach eigenen Angaben habe sie in sechs Einsätzen als Kapitänin der privaten Rettungsschiffe Sea-Watch 3 und Iuventa etwa 5000 Menschen das Leben gerettet. Doch bald steht sie in Italien wegen „Beihilfe zur illegalen Migration“ vor Gericht. Der jungen Frau drohen bis zu 20 Jahre Haft.

Liebe für die „Lutzi“: „Es ist ein anderes Feeling“

„Adam Angst“, das merkt man schnell, gehen mit offenen Augen durch die Welt. Auch das „ab geht die Lutzi“, auf dem sie am 15. Juni ihr Debüt feiern konnten, hat es ihnen angetan. „Wir bekommen als Band schon sehr viel mit. Seien es die großen Festivals, wie das Hurricane oder das Southside oder eben diese kleinen.“ Hier, auf diesem Platz, hätten sie definitiv gemerkt, mit wie viel Einsatz und Liebe die ehrenamtlichen Helfer etwas auf die Beine gestellt hätten. „Es ist ein anderes Feeling. Hier steckt verdammt viel Arbeit drin. Das merkt man und das merken auch die Gäste“, lassen sie ihre Eindrücke von E-Box, Zeltbühne, Hängematten-Wald und vielem mehr Revue passieren. „Die Lutzi macht verdammt viel richtig.“ Den vielfach heraufbeschworenen „Generationenkonflikt“ finde man hier, wo ein ganzes Dorf zusammenarbeite, eben nicht.

„Adam Angst“ fusionieren Sozialkritik und eine antifaschistische Haltung", lobt die Presse. Auf dem „ab geht die Lutzi“ konnte sich das Publikum persönlich davon überzeugen. (Foto: RE ON TOUR)

Apropos gut funktionierendes Netzwerk: Auch von „local heroes Bayern“, dessen Landesfinale am 14. Juni auf der „Lutzi“ ausgetragen wurde, haben Roman und David Wind bekommen. Gerade für junge Leute, sei so etwas eine gute Plattform, um an Auftritte zu kommen, ist Roman überzeugt. Fürs Musikmachen gebe es schließlich „keine Schule“. Sie selbst hätten das Handwerk „auf der Straße“ gelernt, mit wenig Geld, wenig Ausstattung und teils noch weniger Publikum. „Ich glaube, es ist wichtig, dass man seinen Kopf durchsetzt und sein Ding macht“, sagt Roman. Natürlich gehöre aber auch sehr viel Glück dazu. Es komme jedoch gerade am Anfang darauf an zu sagen: „Hallo, hier sind wir!“ Das gelte übrigens auch für das Thema „Soziale Medien“, die wohl dosiert und mit Bedacht einzusetzen seien. „Hier ist es wichtig, Musik auch wirklich sozial zu verteilen und nicht darauf zu warten, was einem vorgeschlagen wird“, raten sie dem musikalischen Nachwuchs. Und stürmen schon fast selbst Richtung Bühne…

Interview und Text: Nicole Oppelt/Lisa Fuchs

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