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„Wir sind der Lutzi-Mob!“

Mehr als 6000 Menschen feierten die siebte Ausgabe von „... und ab geht die Lutzi“ in Rottershausen

Schöner surfen mit „Schmutzki“: Frontmann Beat stürzte sich in die Menge um seinem Techniker am FOH ein Bier zu bringen. (Foto: Lutzi-Crew)

Das viel beschworene „verflixte siebte Jahr“ war für Publikum und Organisatoren des Festivals „... und ab geht die Lutzi“ alles andere als gewöhnlich. Im Gegenteil: Rottershausen hat am vergangenen Wochenende erneut gezeigt, dass auf dem Sportgelände am Rande der kleinen Gemeinde noch lange nicht die Lichter ausgehen. Dafür gesorgt haben nicht zuletzt die mit exzellentem Gespür ausgewählten Headliner: „Schmutzki“ und die „Donots“.

Band und Fans auf Augenhöhe: In Rottershausen hatten beide Seiten mehr als nur „tierisch Bock“ aufeinander. (Foto: Lukas Veth)

„Was für ein Wahnsinn war das gerade?!“, besser als Donots-Frontmann Ingo Knollmann kann man eigentlich nicht beschreiben, was sich am 10. und 11. Juni in Rottershausen abgespielt hat. Künstler und Musikfreunde zeigten eindrucksvoll, dass das kleine Dorf im Landkreis Bad Kissingen in Sachen Festival-Knowhow mittlerweile ganz groß ist. Das „... und ab geht die Lutzi 2016“ machte seinem Namen mehr als alle Ehre. Moshphits, Walls of Death, fliegende Schuhe und noch mehr segelnde Fans bezeugten den fröhlichen Ausnahmezustand. Für die Kultband stand jedenfalls fest: „Wir kommen gerne und sobald wie möglich wieder!“.

Mehr Kontakt zum Publikum geht nicht. „Blackout Problems“ gehörte für viele „Lutzi“-Besucher zu den absoluten Highlights. (Foto: Dani Red)

Alle Zeichen auf Musik

Lutzi-Chef Christian Stahl und seiner ehrenamtliche Truppe stand die Fassungslosigkeit über ein derart gelungenes Festival sprichwörtlich ins Gesicht geschrieben. Im siebten Jahr ihres Herzblut-Projekts leisteten sie sich nicht nur den bislang größten Headliner in der Event-Geschichte, sie knackten auch den eigenen Besucherrekord und begrüßten erstmals mehr als 6000 Menschen auf dem Sportgelände des FC Rottershausen. Die einst auf dem Ramsthaler Weinfest erdachte Idee eines eigenen Festivals hat wenige Jahre später Dimensionen angenommen, mit denen wohl kaum einer gerechnet hat. „Hier ist eine echt coole Truppe am Start. Es macht einfach Spaß“, fasst er den nicht versiegenden Antrieb für die „Lutzi“ zusammen. Von Anfang September bis Anfang August eines jeden Jahres stehen bei ihm und seinem Team die Zeichen auf Musik. In die „Lutzi“ fließe ein Großteil nicht nur seiner Freizeit. Der Lohn für diese Mühen sind dann Szenen, wie sie sich zuletzt am frühen Sonntagmorgen abgespielt haben, als sich die „Donots“ mit einem euphorischen „So long“ aus Rottershausen verabschiedeten. „Das Jahr 2016 wird schwer zu toppen“, ist Christian Stahl überzeugt. Größer wollen er und sein Team das Festival aber künftig nicht werden. „Der Freitag ist dem Samstag diesmal ziemlich nahe gekommen. Mit Camping und Co. ist es mittlerweile ein schönes Zwei-Tages-Festival.“

Sie ist das Aushängeschild des Festivals: Die „Lutzi“ ist Ehrengast auf den Festival-Bühnen in Rottershausen. (Foto: Lutzi-Crew)

Für die Punkrocker aus Ibbenbüren vollzog sich mit der „Lutzi“ zudem ein krasser Szenenwechsel. Noch in der Vorwoche statteten die „Donots“ dem Festival „Rock am Ring“ eine private Visite ab. Die heftigen Unwetter und der Abbruch der Veranstaltung bestimmten die Schlagzeilen. Umso größer war denn auch die Freude, als das Quintett am Samstagmittag in Rottershausen aus ihrem Tourbus stieg. Festivals wie das „... und ab geht die Lutzi“ seien ihres Erachtens unentbehrlich für die hiesige Musiklandschaft. „Es ist total schön. Man merkt, alle sind am Start, alle haben Spaß. Man spürt den Vibe, der über diesem Gelände liegt. Alles ist mit Liebe zum Detail gemacht.“ Man wolle den Leuten gemeinsam eine „geile Zeit“ bereiten. Alle freuten sich auf das, was da passiere. Events wie „Rock am Ring“ seien zwar höchst professionell. Hier sei alles aber etwas „wärmer und echter“. Es seien eben zwei verschiedene Paar Schuhe für unterschiedliche Gelegenheiten.

Freudentaumel bei den „Lutzi“-Fans. Die Veranstaltung ist aus dem Terminkalender vieler Musikfreunde nicht mehr wegzudenken. (Foto: Lutzi-Crew)

Diese Gefühl, etwas völlig ehrenamtlich auf die Beine zu stellen, kennt Frontmann Ingo Knollmann aus eigener Erfahrung nur zu gut. In den frühen 1990ern habe er selbst das Booking in einem Jugendzentrum gemacht. „Ich weiß sehr, um dieses Engagement, das hier dahinter steckt. Du kannst nichts Besseres auf deiner Seite haben, als Leute, die Bock haben, dich dabei zu unterstützen.“ Das gemeinsame Erlebnis, die schöne Zeit, das sei etwas, was man mit Geld nicht kaufen könne.

„Liquid“ waren der unangefochtene „main act“ am Samstagabend. Das Hip Hop-Zelt tobte. (Foto: Lutzi-Crew)

Es muss sich richtig anfühlen...

Gemeinsam mit seiner Band kann er diesen Traum seit mehr als 20 Jahren leben. Das Hobby wurde zum Beruf. Nach wie vor gehöre es für sie absolut dazu, frühzeitig auf den Veranstaltungen zu erscheinen, sich umzusehen und in Kontakt zu kommen, eben ein Gespür für die neue Umgebung zu entwickeln. Das sei schließlich mit Teil des Spaßes. „Anonymes Abliefern“, das wollen sie definitiv nicht. Und stehen bleiben sowieso nicht, wie das 2015 erschienene Studioalbum „Karacho“ gezeigt hat. Auf der zehnten Scheibe singt Knollmann erstmals auf Deutsch. „Die Entscheidung dazu fiel einfach im Laufe der Zeit. Wenn uns etwas Bock macht, dann verfolgen wir das. Wir machen keine Auftragsarbeiten.“ Nur so, wenn es sich richtig anfühle, sei es authentisch. Aus Fan-Perspektive sei das natürlich eine krasse Zäsur. Für die Band selbst sei es eine neue Herausforderung und vor allem „frische Luft im Probenraum“. Druck hätte man sich natürlich schon gemacht. „Es ist genauso wichtig zu wissen, was du willst, wie zu wissen, was du nicht willst“, so Knollmann über seine Vorab-Recherchen zum Thema Songs in deutscher Sprache. Stehenbleiben ist nach diesem Meilenstein der Bandgeschichte natürlich nicht angesagt. „Wir sind schon wieder dabei, an neuen Songs zu arbeiten“, verraten die Musiker.

„Swiss & Die Andern“ hatten das Publikum fest im Griff. Ihren Kommandos folgte die Masse aufs Wort. (Foto: Lutzi-Crew)

„No Lutzi, no Festival!“

Die „Donots“ waren jedoch nicht die einzige Band, die an diesem Wochenende für Gänsehautmomente sorgte. Am ersten Tag des Festivals waren das definitiv die drei Herren von „Schmutzki“. Für Frontmann Beat Schmutz, Bassist Dany Horowitz und Schlagzeuger Flo Hagmüller war die Visite in Unterfranken eine ganz Besondere. Stilecht läutete das Trio seinen Auftritt am späten Abend schon zuvor mit einem waschechten Zeltplatz-Mob ein. Gemeinsam mit ihren dort bereits zahlreich versammelten Fans skandierten sie sodann die Parole der Nacht. „Wir sind der Schmutzki-Mob!“ Gesagt, getan. Nach drei Jahren „Lutzi-Abstinenz“ stiegen sie diesmal als Headliner auf die Bühne. Eine Premiere – nicht nur für das „Lutzi“-Publikum, sondern auch für die Musiker selbst, die erstmals der Hauptakt einer solchen Veranstaltung waren. Dieser Umstand erzeugte übrigens nicht nur bei den Künstlern schöne Schauer. Auch die vielfach in rote „Schmutzki-T-Shirts“ gehüllten Zuhörer feierten die Band, als gäbe es kein Morgen mehr. Für sie stand bereits am frühen Samstagmorgen fest: „No Lutzi, no Festival!“

Absolute Pflicht ist für „Schmutzki“ der Gang auf den Zeltplatz: „Wir sind der Lutzi-Mob“, sangen Beat und Co. gemeinsam mit ihren Fans. (Foto: Lutzi-Crew)

„Lutzi-Chef“ Christian Stahl und sein Team hatten also Recht behalten. Ihre „Senkrechtstarter“ überzeugten auf ganzer Linie. Als solche würden sich „Schmutzki“ allerdings nicht bezeichnen, wie sie kurz vor ihrem Auftritt verrieten. „Es läuft gut. Wir geben uns große Mühe“, fassen sie ihre Laufbahn der vergangenen drei Jahre zusammen. Im Herbst 2014 gehen sie auf Tourneen als Vorband von den „Beatsteaks“ und WIZO“. Im Sommer 2015 folgt dann ein Highlight nach dem anderen. Rock am Ring, Rock im Park, Southside, Hurricane sind nur einige der namhaften Spielstätten, die sich auf ihrer Tourliste befinden. Auch mit den „Toten Hosen“ höchstpersönlich steigen sie auf die Bühne. Obschon die Zeiger offensichtlich nach oben stehen, bleiben sie bescheiden und nehmen sich selbst nicht allzu ernst. „Wir machen immer noch die gleichen Sachen, wie vor drei Jahren. Die Spielzeit hat sich verändert, wir sind immer noch dieselben.“

„Blunaa“? Mit einer Limonadensorte hat diese junge Truppe wenig gemein. Sie überzeugten durch eingängigen Sound und griffige Texte. (Foto: Lutzi-Crew)

Wie sehr sie ihr Musiker-Dasein genießen, merkt man allerdings nicht zuletzt an ihrem aktuellen Video „Zeltplatz Baby“, das Anfang Juni erschien und mit unzähligen Fan-Fotos gespickt ist. „Der Name rührt tatsächlich daher, weil wir letzten Sommer viel Zeit auf den Zeltplätzen der Festivals verbracht haben“, erklärt Sänger Beat. Dort hielten sie sich ohnehin lieber auf, als in den Backstage-Arealen. Die Atmosphäre dort sei ein echtes „Phänomen“. Binnen drei vier Tagen sei gleich mehrmals ein Verlieben fürs Leben möglich und am Montag werde man dann zurück in den Alltag katapultiert. „Doch das nächste Festival kommt bestimmt“, schmunzeln die Drei. Rot angestrichen haben sich die „Schmutzkis“ und ihre Gefolgschaft aber nicht nur diese Termine. Fett im Kalender steht für sie auch der 5. August, wenn das neue Album „Spackos Forever“ erscheint.

Hallo aus Hammelburg! Die „Illustrators“ begeisterten das Publikum bereits am Freitagabend. (Foto: Lutzi-Crew)

Krass, was Rottershausen auf die Beine stellt

Ihre Zeit auf dem „... und ab geht die Lutzi“ haben nicht nur „Schmutzki“ und die „Donots“ sichtlich genossen. Die befreundete Musikinitiative Hammelburg e.V. war 2016 mit ihrer Band „Ilustrators“ vertreten. „Sowohl als Band als auch als Festivalgänger finden wir es krass, was so ein 'Kaff' wie Rottershausen hier auf die Beine stellt“, sind sich die Vier einig. Auch andere Veranstalter würden sich bereits fragen, wie die „Lutzi“-Macher das hinbekommen. Immerhin sei das Event aus dem Nichts heraus entstanden. Heute sei es ein „dickes Festival mit einer echt fetten Bühne“. Das verdiene definitiv Bewunderung. Bereits bei den vergangenen Ausgaben sei alles dabei gewesen, was man sich als Gast nur wünschen konnte. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihnen unter anderem der Auftritt des Berliners Robin Sukroso im Jahr 2013. Die Auswahl in der Hip Hop-Area sei mit Acts wie „dicht & ergreifend“, die 2015 auftraten, zudem „immer gelungen“. Ihr ultimativer „Lutzi“-Headliner-Wunsch kommt dann auch wie aus der Pistole geschossen: Die „Beatsteaks“!

„Konvoy“ gaben alles: Die „local heroes“-Sieger 2014 präsentierten eine mitreißende und höchst professionelle Show, die nicht nur eingefleischte Fans des Genres überzeugte. (Foto: Lutzi-Crew)

Wunschlos glücklich erschienen bereits „Konvoy“ aus Stuttgart nach ihrem Auftritt am späten Samstagabend. Das Trio hatte die Hip Hop-Area gehörig zum Kochen gebracht. „Das war der Hammer. Die Stimmung war super“, so „Konvoy“, die gerade erst eine Tour absolvierten, einhellig. „Wenn wir dürfen, kommen wir nächstes Jahr wieder.“ Angereist waren Moritz Drath und Jan Platt diesmal ohne ihren angestammten Schlagzeuger Johannes Schmeikal-Styppa, der krankheitsbedingt ausfiel. Mit Steffen Haussteiner hatten die zwei Frontmänner allerdings gebührenden „Ersatz“ im Gepäck. Gemeinsam mit den beiden lieferte er ältere Songs, aber vor allem Titel aus der erst Anfang Mai erschienen und fast gänzlich in Eigenregie entstandenen Scheibe „Alles mitnehmen“ ab. „Ich selbst habe 'Konvoy' als Band kennen gelernt und fand es erstaunlich, welch unfassbar krassen Sound diese drei Typen raus hauen“, so Steffen Haussteiner, der seit gut neun Monaten mit dem Trio zusammen arbeitet und in Rottershausen erstmals mit auf der Bühne stand. „'Konvoy' ist für mich definitiv eine Marke.“ Die Entwicklung in der jüngsten Vergangenheit sei immens. „Sie packen die Leute immer. Sie sind für mich derzeit eine der Live-Bands in Deutschland. Das müssen noch mehr Menschen sehen.“

„Bengio“ sprang spontan für „Trouble Orchestra“ ein. Am Ende war es ein freudiges Wiedersehen mit dem jungen Mann aus Fulda, der schon 2013 überzeugte. (Foto: Lutzi-Crew)

Schöne Momente schaffen, den Alltag vergessen. Stephen Keise ist das mit seinem Auftritt vollends gelungen. (Foto: Lutzi-Crew)

Selbiges gilt auch für Stephen Keise, der sich bislang vor allem in der Würzburger Reggae-Szene, aber auch an der Seite von Echo-Preisträger Mellow Mark oder als Support von Jahcoustix einen Namen gemacht hat. „Ich freue mich sehr, dass ich nun auch hier ein paar Leute begeistern konnte“, so Keise nach seinem Auftritt am Samstagabend in der Hip Hop-Area. Vorgestellt hat er dort sein neues Programm „Happy, Hier, Jetzt!“, das auch seine persönliche Entwicklung im vergangenen Jahr widerspiegele. „Zusammenhalt ist alles. So ein Festival schweißt die Leute zusammen“, freut er sich über das, was Rottershausen hier erneut auf die Beine gestellt hat. „Wenn wir so etwas nicht hätten, würden wir eingehen.“

Antschl & Mode sind die unbestrittenen Urgesteine der „Lutzi“. Ohne ihr Zutun läuft in der E-Box nichts. Unterstützung gab's 2016 vom bekannten Berliner DJ Alexander Lorz. (Foto: Lutzi-Crew)

Die beiden Resident-DJs „Antschl und Mode“ erlebten die Entwicklung der „Lutzi“ bereits von Anfang an. Seit der Premiere sorgen sie fast durchgehend zu zweit in der E-Box für Stimmung und überzeugen das Publikum mit ihrer Schallplatten-Auswahl, weit ab von David Guetta und Co. Ihr Credo: „Hauptsache tanzbar!“ Die „Lutzi“ macht für sie vor allem ein Umstand aus. Sie kommen mit Künstlern in Kontakt, die sie bislang nicht kannten, die dann aber eine wahnsinnige Stimmung erzeugten. Dieses musikalische Gespür der Organisatoren sei unglaublich. Schön sei auch die Aufteilung in die drei verschiedenen Genres Rock, Electro und Hip Hop. Das überzeuge die Leute – nicht nur vor der Bühne. „Jeder aus Rottershausen hilft. Alle ziehen an einem Strang.“ Das wäre andernorts wahrscheinlich undenkbar. Besonders in Erinnerung blieben ihnen vor allem die vielen strahlenden Gesichter. Ein Eindruck, den in Rottershausen wohl jeder unterschreiben kann.

Nicht nur Bands und die „Lutzi“-Organisatoren können sich über viele neue, unvergessliche Momente freuen. (Foto: Lutzi-Crew)

Text: Nicole Oppelt

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